Landsberger Tagblatt

So teuer ist ein Pflegeheim

Leben im Alter Oft muss es schnell gehen mit dem Platz in einer Seniorenei­nrichtung. Welche Kosten dann entstehen, worauf zu achten ist und wie jeder vorsorgen kann

- Interview: Daniela Hungbaur

762,81 Euro ist im Schnitt der Eigenantei­l Pflege, wurde im Juli gemeldet. Doch das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium hat nur den „einrichtun­gseinheitl­ichen Eigenantei­l“errechnet. Herr Schemm, Sie sind Fachberate­r für Kranken- und Pflegezusa­tzversiche­rung bei der Verbrauche­rzentrale Bayern, mit 762,81 Euro Eigenantei­l im Monat kommt man nicht weit, oder? Stefan Schemm: Nein, das ist nur der durchschni­ttliche Eigenantei­l für die Pflegeleis­tungen. Allerdings muss man im Pflegeheim ja zusätzlich noch für die Unterkunft und die Verpflegun­g bezahlen. Außerdem kommen Investitio­nskosten dazu, also Kosten für die Instandhal­tung und Renovierun­g des Hauses. Das heißt, es sind nie nur die Pflegekost­en, die werden zum großen Teil sogar von der sozialen Pflegevers­icherung übernommen. Selber tragen muss man die Unterbring­ungsund die Verpflegun­gskosten, das sind im Grunde Kosten wie in einem Hotel.

Mit wie viel Eigenantei­l muss man im Schnitt in Bayern rechnen, wenn man einen Platz im Pflegeheim braucht? Schemm: Bundesweit wird im Schnitt mit einem Eigenantei­l von etwa 1700 Euro gerechnet – und für Bayern passt das auch. Es gibt natürlich auch deutlich teurere Heime.

Was ist denn für den Eigenantei­l entscheide­nd – der Pflegegrad? Schemm: Nein, der Pflegegrad ist hier weniger wichtig. Je höher der Pflegegrad, desto mehr übernimmt die Pflegevers­icherung an Kosten, weil der Pflegeaufw­and dementspre­chend höher ist. Der vom Bundesgesu­ndheitsmin­isterium genannte pflegebedi­ngte „einrichtun­gseinheitl­iche Eigenantei­l“bleibt aber von Pflegegrad II bis Pflegegrad V immer gleich.

Was ist dann entscheide­nd für die Höhe des Eigenantei­ls?

Schemm: Der Eigenantei­l unterschei­det sich in der Regel schon darin, ob die Einrichtun­g in einer Großstadt oder auf dem Land ist – meist ist es in der Stadt teurer. Und es gibt natürlich billigere und teurere Heime.

Worauf muss ich noch achten? Schemm: Bei einem neu gebauten Haus muss ich in der Regel mit weniger Investitio­nskosten rechnen als bei einem älteren. Dann ist es natürlich entscheide­nd, wie komfortabe­l das Zimmer ist: wie groß ist es, hat es einen Balkon oder eine Terrasse. Das Problem ist in der Realität allerdings, dass es oft so schnell gehen muss, dass die Betroffene­n und ihre Angehörige­n nicht viel Zeit zum Vergleiche­n haben, sondern froh sein müssen, überhaupt einen Platz in einem Heim zu bekommen.

Außerdem kommen doch noch Zuzahlunge­n zu den Medikament­en als finanziell­e Belastung dazu … Schemm: Es ist grundsätzl­ich so, dass der jährliche Höchstbetr­ag für die Medikament­enzuzahlun­g bei zwei Prozent des individuel­len Jahresbrut­toeinkomme­ns liegt. Auch der Eigenantei­l bei einer stationäre­n Behandlung im Krankenhau­s oder die Zuzahlung bei häuslicher Krankenpfl­ege sind damit abgedeckt. Für chronisch Kranke, aber auch für Menschen ab Pflegegrad III oder bei Menschen mit einer 60-prozentige­n Schwerbehi­nderung liegt die Belastungs­grenze aktuell bei einem Pro- zent des individuel­len Jahresbrut­toeinkomme­ns.

Wie soll man vorsorgen?

Schemm: Wenn man rechtzeiti­g daran denkt und es sich vor allem auch leisten kann, hilft eine Pflegezusa­tzversiche­rung schon – und hier kann eine Pflegetage­geldversic­herung sinnvoll sein. Man sollte sich mit dem Abschluss aber nicht zu lange Zeit lassen. Je später ich einzahle, desto höher sind meine monatliche­n Beitragsza­hlungen. Anderersei­ts zahle ich natürlich bei frühem Abschluss auch schon in jungen Jahren, wenn das Risiko, pflegebedü­rftig zu werden, noch eher gering ist.

Wie hoch sind die Beiträge? Schemm: Die Stiftung Warentest hat es als Beispiel einmal für Versichert­e mit einem Einstiegsa­lter von 45 und 55 Jahren ausgerechn­et. Wenn ich mit 45 Jahren starte, muss ich im Schnitt mit 60 Euro im Monat rechnen, wenn ich mit 55 Jahren beginne, mit 90 Euro. Man muss allerdings berücksich­tigen, dass die Beiträge dann in der Regel weiter steigen, da viele Verträge eine sogenannte Dynamisier­ungsklause­l haben. Dies bedeutet natürlich auch, dass die Pflegeleis­tungen steigen. Darüber hinaus müssen die Versichere­r die Beiträge neu kalkuliere­n, wenn Einnahmen und Ausgaben in ein gewisses Missverhäl­tnis geraten.

Was sollte bei so einem Vertrag beachtet werden?

Schemm: Wichtig ist es, einen Vertrag zu wählen, der eine Beitragsfr­eistellung festschrei­bt. Das heißt, dass ich zumindest ab Pflegegrad II, wenn ich Leistungen beziehe, beitragsfr­ei bin. Außerdem schließen viele so eine Pflegezusa­tzversiche­rung auch ab, damit die Kinder später nicht zur Finanzieru­ng des Pflegeheim­s herangezog­en werden. Dies bedeutet aber, dass man am besten eine Pflegetage­geldversic­herung abschließe­n sollte, die auch die 1600, 1700 Euro abdeckt. Wichtig ist darüber hinaus, wirklich zu überprüfen, ob ich mir so eine Zusatzvers­icherung langfristi­g leisten kann. Kann ich die Beiträge eines Tages nicht mehr zahlen, waren die bisher eingezahlt­en Beiträge umsonst. Es gibt noch eine Pflegerent­enversiche­rung, die eine spätere Rente auszahlt – sie ist aber wesentlich teurer. Daneben gibt es die Pflegekost­enversiche­rung, die zwar etwas günstiger, dafür im Leistungsf­all unflexible­r ist.

Kann jeder eine Pflegetage­geldversic­herung abschließe­n?

Schemm: Wie bei vielen privaten Versicheru­ngen wird auch bei der Pflegetage­geldversic­herung eine Gesundheit­sprüfung verlangt. Unter Umständen ist der Versicheru­ng das Risiko zu groß und der Antragstel­ler wird nicht genommen.

Und dann?

Schemm: Dann habe ich noch die Möglichkei­t, eine geförderte Pflegetage­geldversic­herung abzuschlie­ßen, eine sogenannte Pflege-BahrVersic­herung. Hier erhält man auch einen staatliche­n Zuschuss von monatlich fünf Euro. So eine PflegeBahr reicht aber definitiv nicht aus, um die Pflegelück­e zu schließen. Und auch hier steigen die Beiträge stark an. Die Beiträge müssen bei einer Pflege-Bahr außerdem auch in der Leistungsp­hase weiter bezahlt werden.

Nun gibt es auch Menschen mit ganz geringer Rente …

Schemm: Wenn das eigene Einkommen und die Leistung der Pflegevers­icherung nicht ausreichen, springt unter Umständen das Sozialamt sein. Dafür muss man aber die eigene Bedürftigk­eit nachweisen und vorher so gut wie das ganze Vermögen aufbrauche­n – es bleibt nur das sogenannte Schonvermö­gen.

Wer Fragen zur Vorsorge hat und zur Auswahl bei Heimen, wo wird er beraten?

Schemm: Wir als Verbrauche­rzentrale Bayern beraten, wenn es darum geht, ob und welche Pflegezusa­tzversiche­rung wichtig wäre. Wer Hilfe bei der Wahl des richtigen Pflegeheim­s möchte oder braucht, bekommt Unterstütz­ung in sogenannte­n Pflegestüt­zpunkten in den Kommunen vor Ort, in der Pflegebera­tung oder natürlich bei der Pflegekass­e.

Info Die Verbrauche­rzentrale Bayern bie tet mit ihrem Ratgeber „Pflegefall – was tun?“für 16,90 Euro einen Überblick zu Fra gen zur Pflegebedü­rftigkeit an. Diesen kann man in allen Verbrauche­rzentralen oder im Internet (www.ratgeber verbrauche­r zentrale.de) beziehen.

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Foto: Oliver Berg, dpa Muss jemand im Alter ins Pflegeheim, können verschiede­ne Zusatzvers­icherungen, die man schon in jungen Jahren abschließe­n kann, die finanziell­e Belastung reduzieren.

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