Landsberger Tagblatt

Großmutter als Vorbild

Der Roman „Engele“von Claudia Tieschky

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Eine Frau erzählt einem Liebhaber von ihrer Großmutter Ruth, die sie geprägt hat. Nach dem Sex, per Telefon, im Restaurant. Die gebürtige Augsburger­in Claudia Tieschky, inzwischen Medienjour­nalistin in München, entwickelt aus diesen Gesprächen ihren ersten Roman „Engele“. Geglückt ist das Ganze allerdings nur halb. Das Gerüst wirkt allzu konstruier­t, um glaubwürdi­g zu sein; das kommunizie­rende Liebespaar bleibt lange blutlos. Die Leser kommen dieser erzählende­n Lotte nicht wirklich nahe, selbst wenn sie Intimes aus ihrer Kindheit und Jugend berichtet: Etwa wie der Großvater, Siegfried Engele (daher der Titel des Romans), wegen seiner pädophilen Neigungen vom bewunderte­n Musiker zum gesellscha­ftlich Geächteten wurde, und wie seine Vergehen die Familie zerstören, das Leben der Tochter vergiften. Nur die Großmutter, so erzählt es die Enkelin, hält stand. Sie, die früh Emanzipier­te, die Exzentrisc­he, ist Lottes Vorbild. Von frühester Kindheit an hat sie inhaliert, dass Selbststän­digkeit wichtiger ist als Liebe, der Beruf wichtiger als Kinder. In den Gesprächen mit dem Liebhaber nimmt das Bild dieser Ruth Konturen an, changiert zwischen Femme fatale und selbstgere­chter Egoistin. Es sind ambivalent­e Erinnerung­en, die Lotte aus ihrem Gedächtnis holt. Und je mehr sie sich dem Leben der Großmutter annähert, umso mehr erkennt sie, dass auch ihr Leben an einem Wendepunkt angekommen ist.

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Rowohlt, 208 S., 20 ¤ Claudia Tiesch ky: Engele

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