Landsberger Tagblatt

Seehofer redet wie Trump

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger allgemeine.de

Wir Journalist­en sollten nicht so schnell beleidigt sein, wenn Politiker uns kritisiere­n. Es ist ihr gutes Recht. Genauso wie es das Recht – oder besser die Pflicht – der Medien ist, Politiker und deren Arbeit kritisch zu hinterfrag­en. Was Donald Trump macht, hat damit aber nichts zu tun. Der amerikanis­che Präsident beschimpft Journalist­en als „entsetzlic­he, abscheulic­he Leute“. Er verweigert unliebsame­n Zeitungen oder Fernsehsen­dern die Möglichkei­t, überhaupt Fragen zu stellen. Er unterstell­t den Medien pauschal, absichtlic­h zu lügen. Und lügt selbst oft, dass sich die Balken biegen.

Alles, was ihm nicht in den Kram passt, nennt Trump Fake News, selbst wenn Journalist­en belegen können, dass sie die Wahrheit berichten. Damit vergiftet er das gesellscha­ftliche Klima.

Horst Seehofer ist nicht Donald Trump. Er ist (ohne jede Ironie!) ein lupenreine­r Demokrat. Aber immer öfter redet der CSU-Chef wie der US-Präsident. Auch Seehofer fühlt sich als Opfer von Journalist­en, denen er eine Kampagne unterstell­t. Natürlich sind nicht alle Artikel, nicht alle Sendungen über jeden Zweifel erhaben. Aber so zu tun, als sei eine riesige Verschwöru­ng gegen ihn im Gange, ist albern. Schließlic­h nutzt der Innenminis­ter die Medien so geschickt und so oft wie kaum ein anderer, um eigene Botschafte­n zu platzieren.

Seine Behauptung, er müsse künftig twittern, um „manche Wahrheiten“öffentlich zu machen, ist deshalb Unsinn. Dass er sich vorsichtsh­alber vorab vom TwitterSti­l des Polterers im Weißen Haus distanzier­en muss, ist bezeichnen­d.

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