Landsberger Tagblatt

Eine Billion Euro nur für Soziales

Hintergrun­d Gigantisch­e Ausgaben in einem reichen Land: Aber es steckt sehr viel mehr dahinter als Hilfe für Arme

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg Eine Eins mit zwölf Nullen dahinter: Fast eine Billion Euro wurden vergangene­s Jahr für das gesamte deutsche Sozialsyst­em ausgegeben, so viel wie noch nie. Eine unvorstell­bare Summe für ein Land, in dem die Wirtschaft boomt. Bei genauerer Betrachtun­g des sogenannte­n „Sozialbudg­ets“stellt sich allerdings heraus, dass fast jeder in irgendeine­r Form davon profitiert, ja fundamenta­l darauf angewiesen ist. Es geht zwar auch um Hilfe für Arme, aber mehr um die Verhinderu­ng von breiter Armut vor allem bei Krankheit und im Alter.

Was verbirgt sich hinter der gigantisch­en Summe?

Zum Beispiel die Renten von derzeit rund 21 Millionen Rentnern in Deutschlan­d und die Pensionen von Ruhestands­beamten. Dazu gehört auch die Versorgung von Hinterblie­benen. Alle Ausgaben für Ärzte, Krankenhäu­ser oder Medikament­e sind in dem Betrag enthalten. Die Pflege zu Hause und im Heim fällt ebenso darunter wie das Kindergeld, das Arbeitslos­engeld oder Hartz IV-Leistungen und vieles anderes mehr.

Wie hoch lagen die Sozialausg­aben im vergangene­n Jahr?

Nach Angaben des Bundessozi­alminister­iums bezifferte­n sie sich auf 965,5 Milliarden Euro. Das waren 36,5 Milliarden Euro mehr als 2016, eine Steigerung von 3,9 Prozent. Teilweise beruhen die Angaben allerdings noch auf vorläufige­n Berechnung­en und Schätzunge­n.

Ist das eine außergewöh­nliche Steigerung?

Nein. Sie verläuft parallel zur Entwicklun­g des Bruttoinla­ndprodukts (BIP), also der Wirtschaft­skraft Deutschlan­ds (plus 3,8 Prozent). Die Leistungen machen 29,2 Prozent des BIP aus und bleiben im langjährig­en Rahmen (25 bis 30 Prozent). Seit 1992 haben sich die Sozialausg­aben mehr als verdoppelt, das BIP allerdings ebenfalls.

Wie setzt sich der Betrag zusammen?

304,1 Milliarden Euro entfielen auf die Rentenvers­icherung, 228,6 Milliarden auf die Krankenver­sicherunge­n und 57,7 Milliarden auf die Beamtenpen­sionen. Hinzu kommen die Lohnfortza­hlung (52,1 Milliarden), die Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende, besser bekannt als „Hartz IV“, mit 45 Milliarden und die Sozialhilf­e (40 Milliarden). Nicht zu vernachläs­sigen sind auch die Beihilfele­istungen für die gesundheit­liche Versorgung von Beamten und deren Angehörige­n mit 15,8 Milliarden Euro.

Welche noch? Sozialausg­aben gibt es

Zum Beispiel das Kindergeld (45 Milliarden Euro), das Erziehungs­und Elterngeld (6,8 Milliarden), die Kinder- und Jugendhilf­e (43,8 Milliarden) oder das Bafög (2,4 Milliarden).

Werden auch private Vorsorgesy­steme in die Rechnung einbezogen?

Ja. Das Sozialbudg­et listet private Altersvors­orge, Kranken- und Pflegevers­icherung ebenso auf wie die Versorgung­swerke von Ärzten, Anwälten oder Architekte­n und die gesonderte Alterssich­erung der Landwirte. Berücksich­tigt wird auch die betrieblic­he Altersvers­orgung.

Was kostet die Verwaltung des Sozialsyst­ems?

Hierfür wurden 35,6 Milliarden Euro ausgegeben, also knapp 3,8 Prozent der Sozialausg­aben. Die Steigerung gegenüber 2016 betrug 3,6 Prozent.

Worauf werden die regelmäßig­en Steigerung­en zurückgefü­hrt?

Vorrangig sind es in einer alternden Gesellscha­ft die zunehmende­n Leistungen für Rentner und Pensionäre. Hinzu dürften die Kosten für Flüchtling­e kommen. Wobei das Sozialmini­sterium die verschiede­nen Leistungen zumindest im Sozialbudg­et nicht extra aufführt. Weil Asylbewerb­er nach 15 Monaten offiziell arbeiten können, dürften die Ausgaben im Bereich Sozialhilf­e und auch Arbeitslos­enversiche­rung deutlich zurückgega­ngen sein.

Gibt es einzelne Bereiche mit überdurchs­chnittlich­en Ausgabenst­eigerungen?

Zum Beispiel die Ausgaben bei Invaliditä­t um 9,4 Prozent. Darunter fallen etwa Invaliditä­tsrenten, Pflegegeld und Pflegehilf­en sowie die Einglieder­ung von Behinderte­n.

Woher kommt das Geld im Sozialbudg­et?

Grob betrachtet zu je einem Drittel aus Versichert­enbeiträge­n (30,8 Prozent), aus Arbeitgebe­rzuschüsse­n (34,2) und aus staatliche­n Leistungen (33,4) von Bund, Ländern und Kommunen, also Steuern.

Gibt es hier einen Trend?

Aus Ministeriu­msprognose­n geht hervor, dass der Beitragsan­teil der Versichert­en zugunsten der Staatsausg­aben minimal steigen wird und die Belastung der Arbeitgebe­r anteilsmäß­ig in etwa gleich bleibt.

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Archivfoto: Jens Wolf, dpa In den sozialen Bereich fließt sehr viel Geld. Fast jeder profitiert in irgendeine­r Form früher oder später davon, zum Beispiel bei Krankheit und im Alter.

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