Wo schnelle Autos auf edle Weine treffen
Unternehmen aus der Region Die Firma Alpina lebt von den beiden großen Leidenschaften ihres Gründers Burkard Bovensiepen. Der Erfolg beruht auf Exklusivität – und an einer Stelle sogar auf einer gewissen Sparsamkeit
Buchloe Wieso aufhören zu arbeiten, sagt Burkard Bovensiepen, Jahrgang 1936, und lächelt sein typisches Lächeln. Er arbeitet doch gar nicht! Er beschäftigt sich lediglich mit seinen Hobbys. Davon hat er zwei: Autos und Wein. Welch ein Glück für einen Mann (jeden Alters), sich nicht zwischen den Leidenschaften entscheiden zu müssen, sondern beide auszuleben.
Vom Himmel gefallen ist das alles nicht. Bovensiepen, dessen Eltern eine Schreibmaschinen-Fabrik betrieben, hat Unternehmertum im Blut. Benzin auch. Motoren versteht er als lebende Wesen, deren Entwicklung er sich mit nicht enden wollender Liebe widmet. Der Motor ist das pulsierende Herz eines jeden Alpina, der Rest stammt, sehr vereinfacht gesagt, von BMW. 1965 kamen die ersten Wagen auf den Markt. Seit 1983 ist die „Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG“offiziell als Automobilhersteller registriert. Das ist dem Gründer wichtig. Er ist keiner dieser Tuner.
Heute entstehen rund 1500 Autos jährlich in der Manufaktur in Buchloe. Dort werden die Alpinas nicht gebaut, sondern geboren. Jeder erhält eine eigene Produktionsnummer auf einem metallenen Typenschild, das an der Mittelkonsole angebracht ist – eine Art Geburtsurkunde. Die Botschaft ist klar: Wer hier kauft, kauft nicht von der Stange. Exklusivität ist das Markenzeichen von Alpina. Es gilt für die Autos wie für den Wein.
Vielleicht gibt es das eine Erfolgsrezept, das auf beide Welten passt: seiner Zeit voraus zu sein. Beispiel Wein: 1978 trifft Burkard Bovensiepen während einer Automobil-Veranstaltung auf einen Wein, den außerhalb Italiens niemand trinken will, wird er doch wegen fehlender Gütezertifikate nur als „Tafelwein“geführt. Bovensiepen importiert ihn trotzdem. Der Name des Tropfens: Sassicaia, heute einer der populärsten Roten weltweit und ein Grundpfeiler des Wein-Imperiums von Burkard Bovensiepen. Wo wären beide nur ohne einander!
Die Sammellust des Kenners, die bald die renommiertesten französischen Bordeaux erfasste, zahlt sich aus. Alpina verfügt nach eigenen Angaben über die größte Jahrgangstiefe im Markt. Wer beispielsweise einen alten „Petrus“, den vielleicht teuersten Rotwein der Welt, sucht, wird, wenn überhaupt, ausgerechnet im Ostallgäu fündig. Mehr als tausend Restaurants und Hotels der gehobenen Kategorie (und so mancher Automobil-Vorstand) gehören zu den Kunden.
Die wertvollsten Schätze lagern nicht in der eine Million Flaschen fassenden Halle neben dem Automobil-Entwicklungszentrum, sondern im privaten Weinkeller unter dem Werksgelände. Hier gewährt der Patriarch nur Auserwählten Zu- gang. Dass die eine oder andere Flasche da unten teurer sein könnte als die 100 000-Euro-Autos da oben, kommentiert Bovensiepen nur mit einem Lächeln. Er spricht an diesem Tag nicht über Geld, kein einziges Mal. Edle Weine mit Potenzial rechtzeitig erwerben, die Wertentwicklung abwarten, gut verkaufen, alles ganz diskret – das ist sein Geschäftsmodell. „Ich wollte nie ein Weinhändler sein wie zehntausend andere“, sagt Bovensiepen.
Klasse statt Masse – diese Philosophie ist wiederum auf den Automobil-Bereich übertragbar. Alpina bezieht zwar die Autos nach wie vor von BMW, aber keiner der Wagen verlässt die Manufaktur, bevor er ein echter Alpina ist. Das für Branchenverhältnisse kleine Unternehmen leistet sich eine eigene Motoren-Entwicklung. Die Allgäuer heben die Aggregate auf ein neues Level. Zumindest ist das der Anspruch. Ein Alpina-Motor muss sich anders anfühlen als ein Konkurrenz- paar hundert Kilometer von der Firma entfernt getroffen, wollte der Chef nie wissen, ob die Fahrt zügig verlief oder der Verkehr nervte. „Ihn hat nur interessiert, was wir verbraucht haben“, erinnert sich eine Mitarbeiterin.
Sparsamkeit scheint dem Selfmade-Millionär ein Anliegen zu sein, jedenfalls bestellt er am Mittagstisch ein Holzfällersteak zu 9,80 Euro, nicht ohne zu fragen, was das sei, ein Holzfällersteak. Lieber als zu den dicken Filetstücken, deren Achtzylinder teils mehr als 600 PS aufbieten, greift Bovensiepen zu seinen kleinen, feinen Baureihen. Er favorisiert leichtere Autos mit spritzigem Sechszylinder wie den BMW Alpina D4 Biturbo, der 350 PS mobilisiert, aber keine sechs Liter Diesel schluckt. Das Geheimnis, wie genau dieser Spagat zu schaffen ist, verrät Alpina nicht. Nur so viel: Der Motor muss „entdrosselt“werden, damit er möglichst frei atmet.
Nachhaltigkeit spielt auch in der hauseigenen Sattlerei eine Rolle. Alpina-Kunden können sich für ein sehr individuelles Interieur entscheiden, ausgeschlagen in einem ganz speziellen Leder. Es stammt vorwiegend aus dem süddeutschen sowie alpenländischen Raum und wird nur mit natürlichen Mitteln gegerbt. Das Material fühlt sich weich an. Es riecht nach Rinde. Verarbeitet wird es von Hand.
Einlullen lassen sich die Bovensiepens – in der Geschäftsführung sitzen der Senior sowie seine beiden Söhne Andreas und Florian – von der eigenen heilen Welt in Buchloe nicht. Ihnen sind die Herausforderungen, vor denen die Autobranche steht, bewusst. Der Wein bildet zwar ein starkes zweites Standbein, erwirtschaftet aber nicht mehr als ein Zehntel des Gesamtumsatzes des Familienunternehmens. Man wird also auf dem Gas bleiben müssen.
Aber wie? Bovensiepen outet sich als „Kraftstoff-Fan“. An den Diesel glaubt er nach wie vor, an Hybride ebenfalls, an reinrassige Elektroautos (noch) nicht. Dass sich junge Leute bald überhaupt keinen Wagen mehr anschaffen, weil er als Statussymbol von Smartphone und Co. überholt worden ist, hält der Firmengründer für Nonsens. „Keine Sorge. Das ist eine gewünschte und vielfach veröffentlichte Meinung, die keine Substanz hat“, sagt Burkard Bovensiepen und lächelt sein Lächeln. Der Genuss schöner Dinge macht offenbar gelassen. Auf jeden Fall hält er jung.