Wie Bürger ihr Vergnügen retteten
Behörden wollten das Freibad dichtmachen. Doch dann fanden die Ramminger einen Trick, den andere Orte inzwischen kopieren
hatte und 1981 das Becken umbaute. Damals wurden 40000 Mark von der Gemeinde, rund 20 000 an Spenden, 8000 an Vereinsbeiträgen und 2000 Stunden an Eigenarbeit in das Vereinsbad gesteckt – viel Geld und unzählige Arbeitsstunden sollten noch folgen. Aber es hat sich gelohnt: Das Freibad, an dessen Tor nun ein Schild mit dem Hinweis „Zutritt nur für Mitglieder – Baden auf eigene Gefahr“hängt, schreibt schwarze Zahlen.
„Alle helfen zusammen“, erklärt Schindele das Erfolgsrezept, konkret: Die Gemeinde zahlt das Wasser und Abwasser; der 1. Vorsitzende Markus Ritter, Schindeles Schwiegersohn, kennt sich von Berufs wegen mit Wasserreinigungsanlagen aus und sorgt für die Wasserqualität im Bad; und die Vereinsmitglieder kümmern sich ehrenamtlich um den laufenden Betrieb, dass der Rasen gemäht wird, kein Müll herumliegt, dass Klos und Umkleiden geputzt werden. Um Letzteres kümmert sich Claudia Reiber gerade an diesem Samstagvormittag. Sie füllt Putzmittel in einen Messbecher, und bevor sie sich die Gummihandschuhe über die Hände stülpt, schwärmt die eingeheiratete Rammingerin vom Freibad. „Das ist wirklich genial. Die Leute gehen gut mit dem Bad um. Hier zu putzen ist nicht schlimm“, sagt sie und geht an der Umkleidekabine vorbei, auf der das Siegertreppchen vom jährlichen Badtag des Schwimmvereins liegt. „Da veranstaltet der Verein ein Kinderwettschwimmen. Die jüngste Teilnehmerin war heuer drei Jahre alt“, berichtet Schindele.
Über 90 Prozent der Erstklässler können in Rammingen schwimmen – das ist ein Spitzenwert, den die Ramminger auch auf ihr Freibad zurückführen. Bundesweit beklagt die Deutsche LebensRettungs-Gesellschaft (DLRG), dass nur noch 40 Prozent der Grundschüler sichere Schwimmer sind und führt das auch auf das große Schwimmbädersterben der vergangenen Jahre zurück. Allein seit dem Jahr 2000 wurde nach Zahlen der Sportministerkonferenz und der Deutschen Gesellschaft für Badewesen jedes zehnte öffentliche Schwimmbad stillgelegt, weil sanierungsbedürftig oder unrentabel. Einige Orte retten inzwischen ihre Freibäder, indem sie das Ramminger Erfolgskonzept kopierten. Allein im Unterallgäu sind es noch zwei: Haselbach und Erkheim.
„Diese privaten Vereinsbäder funktionieren nun quasi wie ein Hotelpool“, erklärt Rammingens Bürgermeister Anton Schwele. Dass seine Gemeinde nicht nur ein Kleinod am Bahndamm hat, sondern auch eine besonders gut funktionierende Gemeinschaft, freut ihn. Natürlich ist auch er Mitglied im Schwimmverein – wie 929 weitere Ramminger, bei 1620 Einwohnern. Durch deren Beiträge kann der Verein jährlich mit rund 18 000 Euro wirtschaften. Familien zahlen 39,50 Euro pro Jahr, Einzelpersonen 19,50 Euro (Erwachsene) oder 13,50 Euro (Kind). Externe werden nicht aufgenommen, damit das Bad nicht aus allen Nähten platzt. Vier Generationen Ramminger schwimmen nun also von Mai bis Ende September im Becken nördlich des Klausenbachs. Vormittags kommt der Kindergarten, nachmittags kommen die Schulkinder, die Senioren ganztägig, die Berufstätigen zum Feierabend bis 21 Uhr. Sie alle schätzen ihr kleines, gemütliches, exklusives Freibad, das noch eine Besonderheit hat: „Riechen Sie mal: kein Chlorgeruch!“, sagt Schindele und wedelt sich Luft aus Richtung Becken zur Nase. Das Bad braucht weniger der keimabtötenden Chemikalie, weil jeden Tag 3000 Liter Frischwasser eingeleitet werden, die zuvor eine Solaranlage auf 24 Grad erwärmt hat.
„Stimmt, jetzt, wo Sie’s sagen: kein Chlorgeruch“, stellt auch Daniela Paulus fest, die vor einem Monat nach Rammingen gezogen ist und gerade mit ihren beiden kleinen Kindern im Schatten eines Strauches am Babybecken eine kleine Badepause mit Maiswaffeln und Salami macht. „Ich bin sofort eingetreten. Super, dass es so etwas gibt“, sagt sie. Im Gegensatz zu den öffentlichen sei dieses Bad immer sauber und aufgeräumt: an der Tischtennisplatte Schläger, im Sandkasten Sandelzeug, am Babybecken kleine Schwimmwürfel. Und nichts kommt weg, weil es ja allen gehört. In den vier Wochen war Daniela Paulus mit ihren Kindern schon zehn Mal im Bad – die Kleinen werden hier voraussichtlich das Schwimmen lernen wie auch die Nachfahren der einstigen Freibadgegner.
Schindele muss los. Der Hof ruft. Während er aufbricht, schallt aus dem Hintergrund das Juchzen von ein paar Jungen herüber, die gerade vom Beckenrand ins Wasser springen. Solche Geräusche freuen den neunfachen Großvater. So klingt für ihn das Happy End des Ramminger Sommermärchens. „Wir haben alle Zweifler überzeugt“, sagt er zum Schluss. Im richtigen Märchen würde es jetzt heißen: Und weil sie nicht aufgegeben haben, so baden sie noch heute …