Ein Platz für die Natur
Ein Imkerverein im Allgäu errichtet ein Haus für Bienen – und rundherum blüht das Leben auf
Das Allgäu bei Kimratshofen ist geprägt von sanften, grünen Weiden, auf denen Kühe grasen. Wichtige Nutztiere. Fast unbemerkt und aus der Ferne nicht zu sehen, verrichten aber die Bienen eine ebenso wichtige, wenn nicht sogar bedeutendere Arbeit. Sie summen umher und bestäuben Pflanzen. Millionen legen täglich hunderte, gar tausende Kilometer zurück. Mit dem Arbeitspensum kann keine Kuh mithalten. Der Imkerverein Kimratshofen hat vor einem Jahr eine ganz besondere Chance bekommen – und sie märchenhaft beim Schopf gepackt.
Nur einen kurzen Fußmarsch außerhalb des Dorfes besitzt die Gemeinde eine Fläche von knapp drei Fußballfeldern. Die Weide sieht im ersten Moment verwildert und unbewirtschaftet aus – und das ist gut so, findet Siegfried Ebert vom Verein: „Hier blüht das Leben.“Schmetterlinge flattern über die wilden Gräser, Wespen und Bienen summen. Der Imker ist glücklich, und noch glücklicher ist er über das Bienenhaus, das der Verein in dem kleinen Naturpark errichten durfte. Alles in Eigenregie und durch Spenden finanziert. „Das Fichtenholz hat uns die Gemeinde gegeben“, sagt Ebert. Vereinsmitglieder haben das Haus gebaut. „Wir haben Zimmerer und Schreiner bei uns“, erklärt der 65-Jährige. Jeder habe nach Können und Alter mitgeholfen. Für die Bienen und für die Natur. Ihr ganz persönliches Sommermärchen.
Wenn der Imker im Haus auf die Weide schaut, huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Bis zu sieben Bienenvölker sollen bald hier ihr Zuhause finden. Das sind rund 350000 Tiere. Ein Volk kann dann bis zu 135 Kilogramm Honig im Jahr produzieren. „Der Imker entnimmt nur den Überschuss an Honig und füttert als Ersatz eine Zuckerlösung“, sagt Ebert. Zucker sei für die Bienen vor allem bei einem langandauernden Winter bekömmlicher. Zum Sammeln von einem Kilogramm Honig legen die Bienen eine Strecke von rund 120 000 Kilometer zurück und bestäuben dabei bis zu sechs Millionen Blüten. Das Bienenhaus bei Kimratshofen ist umringt von wilden Pflanzen wie Blutweideriche mit purpurroten Blüten oder Wilde Möhren mit weißen Dolden. Auf einem Hügel am südlichen Ende des Naturparks wurden alte Arten von Obstbäumen gepflanzt. „Ein Paradies für die Bienen“, sagt Ebert.
In Zeiten von Insektensterben wollte der Verein mit dem Bau des Bienenhauses ein Zeichen setzen. Ergänzt wird der Naturpark durch Sitzbänke, Informationstafeln und einen kleinen Wanderweg. Mitte September ist das Haus dann offen für alle. „Wir wollen damit Anwohnern, Besuchern oder Schulklassen die Bedeutung der Natur näherbringen“, erklärt Ebert. Im Haus selbst können Interessierte, durch eine Glasscheibe geschützt, einem Imker bei der Arbeit zusehen und so einiges über die kleinen Insekten lernen. Gleichzeitig soll mit dem Projekt auch auf die regionale Bedeutung der Tiere hingewiesen werden. „Menschen können ihre Imker vor Ort unterstützen und gleichzeitig etwas Gutes für die Natur tun“, sagt Ebert. Er selbst geht immer wieder in Schulen und erzählt von seinem Hobby, das so wichtig ist für die Umwelt. Immerhin gehöre die Honigbiene aufgrund der Bestäubungsleistung nach Rind und Schwein zu den wichtigsten Nutztieren in Deutschland. Denis Dworatschek