Landsberger Tagblatt

Deutlich mehr Benz

Neuvorstel­lung Mercedes bessert nach und spendiert der X-Klasse einen V6-Motor. Ein paar schwierige Kompromiss­e bleiben aber

- VON STEFAN DRESCHER

Ist er nun ein echter Stern oder nicht? Als Mercedes im Herbst 2017 seine Konzern-Neuheit, die X-Klasse, vorstellte, ließ sich über diese Frage trefflich streiten. Denn unter dem hübschen Benz-Kleid arbeitete Technik aus dem Nissan Navara. Antrieb, Getriebe und Motor stammten allesamt vom Japaner.

Umso größer waren die Erwartunge­n an das versproche­ne Upgrade, das die Stuttgarte­r nun vorgestell­t haben und das den EdelPick-up näher an die eigene Marke rücken soll. Die X-Klasse in ihrer bisherigen Form wurde dafür regelrecht entkernt. Neben einem V6-Diesel bekam der X350d auch das hauseigene siebenstuf­ige Automatikg­etriebe 7G-Tronic Plus und den permanente­n Allradantr­ieb 4MATIC eingebaut.

Bestellbar ist das neue Top-Modell in Europa allerdings auch zu neuen Top-Konditione­n: Mit 47 490 Euro liegt der Einstiegsp­reis fast 10000 Euro über dem der Vierzylind­er-Modelle.

Aber lohnt sich der Aufschlag? Für diejenigen, die in der X-Klasse SUV-Ersatz als Nutzfahrze­ug sehen, auf jeden Fall. Schon nach den ersten Sekunden ist klar: Mit neuem Herz und neuer Lunge ist der Pick-up tatsächlic­h deutlich „benziger“. Der 3-Liter-Diesel beschleuni­gt die knapp 2,3 Tonnen in beachtlich­en 7,5 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Und anders als etwa der V6 im Konkurrent­en VW Amarok Mercedes dabei weitgehend auf Krawall und ungezügelt­e Kraftausbr­üche. Die 258 PS arbeiten ihr Pensum markentreu kultiviert und ausgeglich­en ab.

Der Gesamteind­ruck bleibt auch bei längerer Fahrt stimmig – egal ob auf oder neben der Straße. Der permanente Allradantr­ieb steuert die 550 Nm mit einer festen Momenmehr tenverteil­ung von 40:60 sauber und effizient über Vorder- und Hinterachs­e aus. Die heckbetont­e Auslegung sorgt auf kurvenreic­hen Strecken für eine Dynamik, die man dem über fünf Meter langen Nutztier gar nicht zugetraut hätte. Und auch der Fahrkomfor­t liegt deutlich über dem Erwartbare­n. Im Angebot sind neben der manuellen Schaltverz­ichtet Option über die Lenkradwip­pen vier klassische Fahrprogra­mme, von denen sich die Standard-Konfigurat­ion „Comfort“jedoch deutlich ausgewogen­er präsentier­t als der gelegentli­ch etwas aufgeregte SportModus. Das Fahrwerk mag für Mercedes-Verhältnis­se zwar das Minimum an Komfort sein, in einem Pritschenw­agen setzt es aber doch Maßstäbe. Pässe und gewundene Landstraße­n erlebt man in sanftem Wiegen, wobei die Lenkung für einen derartigen Koloss relativ präzise bleibt.

Fürs Protokoll sei noch vermerkt: Wer will, kann mit dem X350d auch schweres Gelände erkunden. Längsdiffe­renzialspe­rre, Geländeunt­ersetzung und Hinterachs-Sperrdiffe­renzial lassen sich flexibel zuschalten. Bei Bergabfahr­ten kann zudem das Tempo über die Bremsanlag­e automatisc­h gehalten werden.

Letztendli­ch, und das wird an dieser Stelle deutlich, macht die X-Klasse aber einen Spagat, der zwangsläuf­ig in Kompromiss­en endet. Und die dürften nicht jeden Kunden vollends glücklich machen. Punkten will Mercedes explizit auch bei der anspruchsv­ollen OutdoorZie­lgruppe, die auf Nutzwert und Lifestyle gleicherma­ßen Wert legt. Allerdings wird die Premium-Komponente trotz ordentlich­er Infotainme­ntund Sicherheit­s-Ausstattun­g nicht konsequent durchgezog­en. Das beginnt beim schmucklos­en Plastik-Türöffner, setzt sich bei der teils nicht unterschäu­mten Innenraumv­erkleidung fort und endet bei einem ziemlich klobigen Kunststoff-Schaltkast­en. Wer MercedesLu­xus erwartet, muss bei der X-Klasse Abstriche machen.

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Foto: Daimler AG Technik Upgrade für die X Klasse: Mercedes holt seinen Edel Pick up deutlich näher an die Marke.

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