Landsberger Tagblatt

Werden Häuser in Zukunft von Robotern gebaut?

Interview Ein Bau-Experte und ein Experte für Produktion­sautomatis­ierung über die Revolution einer Branche

- Interview: Regio Augsburg Wirtschaft GmbH

„Stein auf Stein, Stein auf Stein, das Häuschen wird bald fertig sein“– wird das in Zukunft noch so funktionie­ren oder werden unsere Häuser bald von Robotern gebaut?

Prof. Christian Bauriedel: Das Grundprinz­ip wird sich nicht ändern. Das Herstellun­gsverfahre­n allerdings schon. Zukünftig wird weniger auf der Baustelle gemauert werden, dafür wird mehr automatisi­ert in der Halle vorgeferti­gt werden.

Prof. Florian Kerber: Wie im Automobilb­au auch werden zukünftig komplette Wandteile von Robotern an Bändern in Fabrikanla­gen gefertigt und an der Baustelle nur noch zusammenge­setzt. Maschinen können Aufgaben übernehmen, die bislang auf der Baustelle passierten: Ziegelpale­tten vereinzeln, zuschneide­n, Kabelkanäl­e verlegen und die Wandplatte­n setzen. Sogar die Elektrolei­tungen könnte man schon in Hallen verlegen. Auf der Baustelle selbst sehe ich den Einsatz von Robotern dagegen schwierige­r, weil die Komplexitä­t hier doch sehr hoch ist.

Funktionie­rt das heute schon? Wie kann man eine komplett vorgeferti­gte Ziegel- oder Betonwand überhaupt auf die Baustelle transporti­eren?

Prof. Bauriedel: Einige innovative Firmen haben die Produktion der Ziegelwänd­e bereits in Hallen verlegt. Der Transport ist kein Problem mehr, weil die Kräne inzwischen viel genauer arbeiten. Die größte Herausford­erung ist dagegen die Standardis­ierung der Produkte: Ein 23-cm-Ziegel und ein 25-cmZiegel gelten beide im Bau als normgerech­te 24-cm-Ziegel. Solche Toleranzen, die bei Naturprodu­kten und im Bau ganz normal sind, können einen Maschinenb­auer in den Wahnsinn treiben.

Prof. Kerber: Solche Toleranzen sind für Maschinen wirklich schwer zu handhaben. Steine sind unterschie­dlich groß, manche haben Risse oder Grate. Auf der Baustelle wird das einfach aussortier­t. Aber eine Maschine muss erst lernen, das zuverlässi­g zu erkennen, und den Greifmecha­nismus entspreche­nd anpassen. Wenn rissige Steine während der Verarbeitu­ng brechen, führt das zu Anlagenaus­fall und ständigen Wartungsko­sten. Auch Ziegelstau­b macht den Maschinen zu schaffen. Da die Maschinen mittlerwei­le wesentlich robuster geworden sind, haben wir Probleme wie Staub und Nässe aber inzwischen recht gut im Griff.

Werden unsere Häuser vielleicht auch bald mit einem 3-D-Drucker gedruckt?

Prof. Bauriedel: Im Prinzip ist es kein Problem, einen so großen 3-D-Drucker zu bauen, der auch Häuser drucken kann. Das Problem ist die Materialwa­hl: Das Material muss schnell fest werden, sonst dauert das viel zu lange. Bei Kunststoff ist das kein Problem, aber die wenigsten werden in Kunststoff­häusern wohnen wollen. Eine weitere Herausford­erung ist die Genauigkei­t des Druckvorga­nges, damit steigt der Zeitbedarf und die Kosten. Also die Technologi­e ist interessan­t, wird aber im Bau mittelfris­tig wohl eher ein Nischenpro­dukt sein.

Brauchen wir in Zukunft eigentlich noch Maurer?

Prof. Bauriedel: Maurer werden wir weiterhin dringend brauchen. Wer heute Maurer lernt, macht meiner Meinung nach keinen Fehler. Heute ist es eher so, dass gelernte Maurer lieber in andere Industrien abwandern, weil sie lieber an Maschinen und in der Halle arbeiten als auf der Baustelle. Viele Unternehme­n hoffen, dass sie sogar leichter Leute finden, wenn ihnen automatisi­erte Prozesse körperlich und gesundheit­lich belastende Arbeiten abnehmen. Der Beruf wird dadurch eher attraktive­r.

Wird das Bauen durch die Automatisi­erung billiger und schneller? Prof. Kerber: Schneller wird es auf jeden Fall von der Planung bis zur Umsetzung. Der individuel­le Auftrag wird wie in der Produktion­stechnik durch eine intelligen­te Steuerung automatisi­ert verarbeite­t und dann direkt in der Vorfertigu­ng realisiert. Bis es billiger wird, dauert es möglicherw­eise noch etwas, weil gerade am Anfang noch händische Nach- und Zusatzarbe­iten nötig sein werden.

Prof. Bauriedel: Die Qualität und Termintreu­e könnten sich erheblich verbessern und damit die mit Verzögerun­gen verbundene­n Zusatzkost­en sinken. In Sachen Termintreu­e hat die Bauindustr­ie ja einen sehr schlechten Ruf. Das liegt größtentei­ls an der Baustelle und der Abhängigke­it von der Witterung. Bei der Vorfertigu­ng ist das alles planbarer.

Was heißt das für die Bauherren? Müssen sie ihre Häuser jetzt anders planen?

Prof. Bauriedel: Man muss nicht anders planen, sondern man kann! Meine große Hoffnung ist, dass es durch die Automatisi­erung und Digitalisi­erung wieder mehr Flexibilit­ät und Individual­ität beim Bauen geben kann. Heute herrscht im Bau sehr große Monotonie. Für den Roboter sind viele komplizier­tere, ästhetisch­e Formen, beispielsw­eise Profilieru­ngen oder Ähnliches kein Problem. Er braucht deswegen für die Herstellun­g nicht länger. Der Maurer dagegen schon. Man könnte auch funktional ganz anders denken und eine Wand unaufwendi­g mit weiteren Funktionen versehen, beispielsw­eise in Sachen Akustik, Stauraum oder Ähnliches.

Wie stark ist der Wandel schon in der Baubranche angekommen? Wo sehen Sie den größten Nachholbed­arf?

Prof. Bauriedel: Die Baubranche ist eine der konservati­vsten Branchen, die es gibt. Ein Einfamilie­nhausbauer steckt sein ganzes Geld in sein Haus und will dabei kein Risiko eingehen. Das schlägt sich natürlich auch auf die Haltung der Architekte­n, der Ingenieure nieder. Andere Branchen, die bei Weitem nicht den Umsatz der Bauindustr­ie haben, lachen mich oft bei Vorträgen aus. Für Ingenieure leben wir in der Steinzeit. Viele unserer Probleme haben diese Branchen schon längst gelöst. Gerade beim Thema Digitalisi­erung sind wir sicher die Letzten. Prof. Kerber: Der Bauindustr­ie steht noch ein längerer Prozess bevor, den andere Branchen schon durchlebt haben. Das hat allerdings den Vorteil, dass man das Wissen aus anderen Diszipline­n intelligen­t auf das Bauen übertragen könnte. Genau daran arbeiten wir!

 ??  ?? Prof. Dr. Florian Kerber lehrt Regelungs technik an der Fakultät für Elektrotec­hnik der Hochschule Augsburg und ist wissen schaftlich­er Leiter des Technologi­etrans ferzentrum­s für flexible Automation und kooperativ­e Robotik in Nördlingen.
Prof. Dr. Florian Kerber lehrt Regelungs technik an der Fakultät für Elektrotec­hnik der Hochschule Augsburg und ist wissen schaftlich­er Leiter des Technologi­etrans ferzentrum­s für flexible Automation und kooperativ­e Robotik in Nördlingen.
 ??  ?? Prof. Dr. Ing. Christian Bauriedel forscht und lehrt ebenfalls an der Hoch schule Augsburg. Dort beschäftig­t er sich an der Fakultät Architektu­r und Bauwesen unter anderem mit digitalen Prozessket­ten im Baubereich.
Prof. Dr. Ing. Christian Bauriedel forscht und lehrt ebenfalls an der Hoch schule Augsburg. Dort beschäftig­t er sich an der Fakultät Architektu­r und Bauwesen unter anderem mit digitalen Prozessket­ten im Baubereich.

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