Neues zur Steinzeit
Welterbe Die Archäologen wollen den Bereich rund um Pestenacker genauer untersuchen. Dabei kommt moderne Technik zum Einsatz, die die Steinzeitrelikte nicht gefährdet
Die Archäologen wollen den Bereich rund um die Steinzeitsiedlung in Pestenacker genauer untersuchen. Dabei kommt moderne Technik zum Einsatz.
Pestenacker Am Unesco-Welterbe in Pestenacker und Unfriedshausen wird wieder geforscht. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und das Landesamt für Denkmalpflege wollen weitere Erkenntnisse über die jungsteinzeitliche Kulturlandschaft gewinnen. Wie das geschehen soll, wurde jetzt im Informationszentrum erläutert.
Seit sieben Jahren sind die steinzeitlichen Hinterlassenschaften zwischen Pestenacker und Unfriedshausen Teil des Welterbes „Prähistorische Pfahlbauten rund um die Alpen“. Damit sind Siedlungen gemeint, die auf Pfählen an Seeufern oder in Mooren errichtet wurden, und deren Reste sich unter Luftabschluss im Wasser oder feuchten Boden erhalten haben, sagte Dr. Markus Gschwind, Koordinator für das archäologische Welterbe am Landesamt für Denkmalpflege. Das Schöne für die Archäologen gerade an den Moorsiedlungen: Im Boden
Hat es bei Pestenacker einen See gegeben?
finden sich die Dinge in etwa so, wie sie vor 5500 Jahren angelegt worden sind, und nicht als chaotisch zusammengefallene Bauteile eigentlicher Pfahlbauten. Auch deshalb sei gewünscht, in Pestenacker das zentrale bayerische Informationszentrum zu errichten.
Forschung und Vermittlung verschlingen freilich schnell Hunderttausende Euro, wie an dem neuen Forschungsprojekt deutlich wurde, das Prof. Dr. Christoph Zielhofer vom Institut für Geografie an der Universität Leipzig vorstellte. Er wird im Loosbachtal zusammen mit der Doktorandin Anne Köhler eine in der Bodendenkmalpflege neue Untersuchungstechnik ausprobieren. Das „Direct Push Verfahren“wurde bislang nur in der Erkundung von Lagerstätten von Bodenschätzen angewandt, so Zielhofer. Es könnte jedoch auch der Archäologie Erkenntnisse bringen, und zwar ohne ausgraben zu müssen. Denn das Graben ist insbesondere bei Bodendenkmälern im feuchten Boden eine heikle Sache: Sobald Materialien, die jahrtausendelang von Sauerstoff abgeschlossen im Boden lagen, an die Luft kommen, setzt die Verwitterung ein.
Statt mit Spaten, Kellen und Pinseln zu arbeiten, rammen Zielhofer und Köhler schmale Sonden in den Boden. Diese liefern Fotoaufnah- der Bodenschichten und stellen durch Leitfähigkeitsmessungen die Körnung des Materials fest. Mit einem solchen geologischen Aufmaß soll in der Loosbachaue im Spätsommer begonnen werden. Weil dabei nicht gegraben werden muss, könne das Gelände weitflächiger und tiefer erkundet werden. Zielhofer erhofft sich dabei Aufschlüsse über die wirkliche Größe der Siedlung, eventuell auch über noch ältere Siedlungsspuren in tieferen Schichten und anderen Stellen sowie über die Ausdehnung eines im Loosbachtal vermuteten vorzeitlichen Sees.
Am Ende könnte sich daraus ein deutlicheres Bild von der steinzeitlichen Kulturlandschaft ergeben. Deren damalige Gestalt lässt sich bislang vor allem mit im Moor erhalten gebliebenen Samen und Baumaterialien nachvollziehen. So waren die Loosbachtal-Dörfer von Laubmischwäldern umgeben, auf den fruchtbaren Moränen wurden Weizen, Einkorn, Emmer, Hafer, Roggen oder Gerste kultiviert.
Die Menschen der Jungsteinzeit, dies konnten Archäologen am Zürichsee nachweisen, waren zwar sesshaft, bauten sich aber nach etlichen Jahren oder Jahrzehnten in der Nähe neue Siedlungen, erklärte Gschwind gegenüber dem LT. Dies geschah offensichtlich, wenn sich am bisherigen Siedlungsplatz die Umweltbedingungen zu sehr verschlechtert hatten oder die Ressourcen – zum Beispiel Bauholz – erschöpft waren.
Bis November 2020 sollen die neuen Untersuchungen bei Pestenacker vorerst laufen, parallel zu dem mit 600 000 Euro veranschlagten Forschungsprojekt wird das Landesamt für Denkmalpflege für vier Jahre eine Archäologenstelle finanmen zieren, kündigte Dr. Stefanie Berg vom Landesamt an.
Am Ende des Abends ging es noch darum, wie das vorhandene Informationszentrum ausgebaut werden könne, das bislang keine Ver- und Entsorgungsanschlüsse hat. Und dabei stellt sich die Frage,
Besucherzentrum: Nicht nur Sache des Landkreises
ob damit möglicherweise Bodendenkmäler zerstört werden. Stefanie Berg berichtete dazu: Bei Erkundungen entlang der Staatsstraße in Richtung Pestenacker sei man überwiegend auf Kies gestoßen, der beim Bau der Straße aufgeschüttet wurde. Bezüglich eines neu zu bauenden Besucherzentrums verwies Johann Bernauer vom Landratsamt auf den Standpunkt des Kreistags, dass dies nicht allein Sache des Landkreises und der Gemeinden Weil und Geltendorf sein könne.