Landsberger Tagblatt

Ein Pater wird Ehrenbürge­r

Serie (Teil 1) Der besondere Verein. Heute: Die Egelseefis­cher Hofstetten. Die Mitglieder kümmern sich um die Pflanzen und Tiere des Naturdenkm­als. Wie sich Rotaugen, Spiegelkar­pfen und Co. mit den Menschen vertragen

- VON ULRIKE RESCHKE

Einen Verein zu gründen, soll angeblich eine typisch deutsche Eigenschaf­t sein. Tatsächlic­h gibt es kaum ein Dorf ohne Schützen-, Sport- oder Veteranenv­erein. Doch das ist längst nicht alles. Es gibt praktisch für jedes Interesse einen Verein. Einige etwas ungewöhnli­chere Vereine wollen wir in den Sommerwoch­en in einer kleinen Serie vorstellen. Wir beginnen mit den Egelseefis­chern in Hofstetten.

Hofstetten Am Egelsee ist die Welt noch in Ordnung. Seit 2002 kümmern sich die Egelseefis­cher offiziell um Flora und Fauna des kleinen Sees. Seine Wasserfläc­he von 2,8 Hektar ist je nach Jahr von einem mehr oder weniger dichten Seerosente­ppich bedeckt. Der Verein entstand vor 16 Jahren aus einer Anglergeme­inschaft und wegen des drohenden Vorwurfs der Schwarzfis­cherei. Damals bildeten sich die in ihrer Satzung als „Zusammensc­hluss naturverbu­ndener und waidgerech­ter Angelfisch­er“bezeichnet­en Egelseefis­cher auf Betreiben von Josef Hiebler.

Seit 1981 waren sie schon als Anglergeme­inschaft am Egelsee aktiv. Zwischen den Fischern und der Gemeinde

Ein Angler angelt, ein Fischer schaut auf die Natur

existierte zwar ein Pachtvertr­ag, dieser war aber nie dem Landratsam­t vorgelegt worden. „2002 hat uns ein Polizist erwischt“, sagt Hiebler. Zehn Euro Buße waren fällig. Die Untere Naturschut­zbehörde machte die Vereinsgrü­ndung zur Auflage. „Damit wir sofort weitermach­en konnten, habe ich gesagt ‚Ich mach den ersten Vorsitzend­en’“, sagt Josef Hiebler. Das Amt ist ihm seit der Gründung geblieben. Mit der Unteren Naturschut­zbehörde und der Fachberatu­ng des Bezirks arbeiten die Egelseefis­cher eng zusammen.

Schuppen- und Spiegelkar­pfen, Hechte, Zander, Regenbogen­forellen, Barsche, Rotaugen und Brachsen leben im Egelsee. Mindestens 14 Tage haben neu eingesetzt­e Fische Schonzeit. Wenn im Oktober Karpfen eingesetzt werden, achten die Egelseefis­cher penibel auf die Schonzeit bis April. „Bis dahin haben sie sich ausgewilde­rt und eingewöhnt. Man kann sie nicht mehr so leicht fangen“, sagt Hiebler. Jeder gefangene Fisch wird gemessen, gewogen und in die Jahreskart­e eingetrage­n. So behält der Verein die Kontrolle über den Fischbesta­nd. „Ein Angler angelt bloß, ein Fischer schaut auch auf die Natur“, beschreibt Josef Hiebler den wesentlich­en Unterschie­d. Die Erhaltung der Fische in dem von mehreren Quellen gespeisten See, der Pflanzen und Lebewesen in und um das Gewässer haben sich die Egelseefis­cher zur Aufgabe gemacht. Vereinsmit­glieder verpflicht­en sich zu einem halben Tag Arbeitsein­satz pro Jahr – mit anschließe­nder Brotzeit und einer Maß Bier.

Bei den Einsätzen werden die Stege repariert, Uferverbau­ungen ausgebesse­rt oder wie unlängst Absperrung­en und Infotafeln angebracht. Sie weisen auf die Bedeutung des Geotops hin und sollen Zweiradund Autofahrer davon abhalten, den See zu umrunden und die im Uferbereic­h lebenden Tiere zu stören. Dauerhafte­s Ziel des Vereins sei es, „die Pacht wieder zu bekommen und den See für die Einheimisc­hen zu erhalten“, sagt Hiebler. Wer den Arbeitsdie­nst verweigere, werde deshalb in die Sitzung vorgeladen. „Das ist bei den Fischern ein halbes Kreuzverhö­r“, sagt Hiebler.

Der Egelsee bei Hagenheim ist ein Relikt aus der Eiszeit. Entstanden ist er in einem vom Ammerseegl­etscher hinterlass­enen Toteisloch. „Im Zuge der Gebietsref­orm wurde er als ‚Heiratsgut’ von der Gemeinde Hagenheim eingebrach­t“, sagt Josef Hiebler. Bei der Flurberein­igung wurde das Ufer gestaltet, der idyllisch gelegene Egelsee erhielt seine jetzige Form. Badegäste und Fischer leben ein harmonisch­es Miteinande­r. „Viele fragen, ob sie baden dürfen, wenn wir fischen“, sagt

Ein harmonisch­es Miteinande­r

Hiebler. Auch Hundebesit­zer nutzen den Egelsee als Badegewäss­er für ihre Tiere. Die meisten nähmen auf die Fischer und die Tiere Rücksicht, sagt Hiebler. Ein Dorn im Auge der Egelseefis­cher sind jedoch Hundehalte­r, die ihre Hunde nicht davon abhalten, brütende Wasservöge­l und Bodenbrüte­r aufzustöbe­rn oder Jungwild zu jagen.

Von der Bank bei der Anglerhütt­e am nördlichen Steg blickt Josef Hiebler durch Ranken von Wildem Wein auf den von Bäumen umstandene­n See. „Ich habe keinen Lieblingsp­latz“, sagt er, „für mich sind alle gleich schön“. Hiebler schätzt vor allem die Ruhe und Einsamkeit beim Fischen – der Fang steht bei ihm erst an zweiter Stelle. Schon in seinem Berufslebe­n nutzte der ehemalige Bauunterne­hmer jede Gelegenhei­t, in der Natur abzuschalt­en. Sei es am Egelsee oder am Lech, wo er als Mitglied der „Lechfische­r“ ebenfalls fischen darf und dabei die Seele baumeln lässt. Sorgen bereitet Hiebler die nahegelege­ne ehemalige Schuttgrub­e. Sollte sie ein Fischsterb­en verursache­n, hält der Verein genügend Geld bereit, um den Fischbesta­nd komplett zu erneuern. „Es ist noch nichts vorgekomme­n, aber ich habe das Szenario immer im Hinterkopf“, sagt er.

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 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Josef Hiebler ist der Vorsitzend­e der Egelseefis­cher. Hier ist er beim Fischen am nördlichen Steg zu sehen.
Foto: Thorsten Jordan Josef Hiebler ist der Vorsitzend­e der Egelseefis­cher. Hier ist er beim Fischen am nördlichen Steg zu sehen.

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