Landsberger Tagblatt

Meister Adebar entspannt vor der großen Reise

Bilanz 2018 hatte nicht nur einen Rekordsomm­er parat, sondern war auch ein optimales Jahr für Störche. Doppelt so viele Jungtiere wie im Vorjahr wurden flügge. Die haben die Region längst verlassen. Warum die Alten noch bleiben

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Dießen Der Volksmund meinst es eigentlich gut. Dieses Regenwette­r lockt doch keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Einen Hund vielleicht nicht, aber Meister Adebar zeigt sich diese Tage unbeeindru­ckt von Regen und nicht mehr so hochsommer­lichen Temperatur­en. Und er hat auch allen Grund dazu, denn momentan ist für Störche, die sich noch im Ammerseege­biet aufhalten, eine relativ entspannte Zeit angebroche­n. Die stressigen Jungvögel sind weg, Nahrung ist in ausreichen­dem Maß vorhanden und die Temperatur­en sind ebenfalls noch angenehm. Und Ende September geht es dann nach Katalonien, Nord-Spanien, ins Winterquar­tier.

Was nach der Jahresplan­ung von Pensionist­en klingt, ist derzeit aber eher der Tagesablau­f der noch in der Region verblieben­en Störche, die hie und da in abnehmende­r Zahl noch zu beobachten sind. Wolfgang Bechtel, Storchenbe­obachter vom Landesbund für Vogelschut­z, bezeichnet das als Entspannun­gszeit für die älteren Störche. Sie haben den Sommer über ihre Jungen großgezoge­n und können jetzt, da die bereits in wärmere Gefilde abgezogen sind, in der Region umherstreu­nen und sich, so sie sich ebenfalls Mitte bis Ende September auf den Weg machen, noch auf die lange Reise kräftemäßi­g vorbereite­n. Wolfgang Bechtel weiß zum Beispiel von Störchen zu berichten, die am Morgen – je nachdem, wie die Thermik passt – in Richtung Murnau losfliegen und im Verlaufe des Tages dann wieder an den Ammersee zurückkehr­en. Quasi einen Tagesausfl­ug unternehme­n. In Zeiten von Klimawande­l und Klimaerwär­mung rechnet sogar damit, dass zwei bis vier Paare vor Ort bleiben werden. Im Freistaat waren es im vergangene­n Jahr 250 Überwinter­er.

Aber auch diejenigen, die wegziehen, verkürzen ihre Reisen deutlich. Ging es früher noch weit über den Äquator, enden die Langstreck­enflüge inzwischen häufig schon in Marokko oder in Nord-Spanien. „Vor zwei Tagen habe ich eine Störchin, die mit einem Sender ausgestatt­et ist, beobachten können,“be- richtet Bechtel. Die Störchin sei aus Süd-Hessen gekommen und nach Nord-Spanien geflogen.

Wie leistungsf­ähig die Vögel sind, beweisen die festgestel­lten Messwerte. Die weiteste Strecke, die von der Störchin auf ihrer Reise an einem Tag bewältigt wurde, betrug 400 Kilometer. Wolfgang Bechtel: „Mit den kürzeren Reisen, den ungefährli­cheren Landschaft­en und dem sturmarmen Klima in Spanien erhöht sich auch die Wahrschein­Bechtel lichkeit, dass die Tiere im nächsten Frühjahr wieder unversehrt und gesund hierher zurückkomm­en.“

Das Jahr 2018 bezeichnet er als ausgesproc­hen gutes Storchenja­hr. So seien in Raisting von 16 Horsten 15 belegt gewesen. 28 Jungtiere seien flügge geworden, so viel wie noch nie. Zum Vergleich: Im vergangene­n Jahr wurden lediglich 14 Vögel flügge. In Fischen waren es drei Jungstörch­e, in Polling einer. In Dießen hat jedoch keiner überlebt. Insgesamt habe es 40 Jungtiere gegeben, doch die kurzen, aber heftigen Unwetter im Juni hätten zwölf Tieren das Leben gekostet. Nach dem Flüggewerd­en bleiben die Jungstörch­e noch etwa zwei Wochen bei den Storchenel­tern und übernachte­n auch im Horst.

Derzeit weiß er von zwölf einheimisc­hen, erwachsene­n Tieren und fünf fremden Störche, die sich im Ammerseege­biet aufhalten.

Dass die Jungtiere Ende August bereits alle weg sind, sei dann auch völlig normal. Noch vor zwei oder drei Wochen hätten sich im Ammerseera­um ganz Schwärme von jungen Störchen herumgetri­eben. Viele von ihnen seien auf der Durchreise gewesen. So beobachtet­e Wolfgang Bechtel Trupps von über 30 Tieren, die vom Bodensee kamen oder aus dem übrigen Oberschwab­en.

Ein Schauspiel bot sich ihm auch bei Weilheim. Dort zählte er frühmorgen­s auf einer Wiese mindestens 125 überwiegen­d einjährige Störche.

Im Freistaat überwinter­ten im Vorjahr 250 Störche

Jungstörch­e ziehen meist in größeren Trupps umher

Bis zur Geschlecht­streife mit zwei bis vier Jahren bleiben die meist unter sich und ziehen in Trupps umher. Vermutlich stammten sie aus dem Fränkische­n, wo in der Gemeinde Uehlfeld 22 Horste für die Vögel zur Verfügung stehen, Raisting liegt mit 16 Horsten auf Rang drei. Allerdings werden zwei Horste heuer abgebaut. Einer war bisher auf dem Kamin des Pfarrhause­s, ein anderer werde in der Ortsmitte dem Abriss eines Gebäudes weichen. Allerdings wird der von der Schutzgeme­inschaft gleich in der Nähe wieder neu aufgebaut.

Wolfgang Bechtel jedenfalls ist schon gespannt und voller Vorfreude auf das kommende Jahr, wenn im März die ersten Störche an den Ammersee wieder zurückkehr­en.

 ?? Archivfoto: Gerhard Mayer ?? Es war ein ausgesproc­hen gutes Jahr für die Störche im Ammerseege­biet. Trotz der lang anhaltende­n Trockenhei­t und der Un wetter im Juni hat sich die Zahl der flügge gewordenen Jungtiere verdoppelt.
Archivfoto: Gerhard Mayer Es war ein ausgesproc­hen gutes Jahr für die Störche im Ammerseege­biet. Trotz der lang anhaltende­n Trockenhei­t und der Un wetter im Juni hat sich die Zahl der flügge gewordenen Jungtiere verdoppelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany