Politisches im Plauderton
SPD Talk Spitzenkandidatin Kohnen diskutiert mit Johano Strasser
Kaufering Politik im Plauderton, aber mit Substanz: So präsentierte sich die Spitzenkandidatin der SPD, Natascha Kohnen am Sonntagvormittag in Kaufering vor 50 Interessierten. Unter der Überschrift „Kohnen Plus“tourt die 50-jährige Politikerin durch Bayern und diskutiert mit ausgewählten Gesprächspartnern. Gastgeber war in Kaufering Stimmkreiskandidat Christian Winklmeier
Mit dem in Berg am Starnberger See lebenden ehemaligen Präsidenten des Schriftstellerverbandes PEN, Johano Strasser, hatte Kohnen ein „SPD-Urgestein“als Gegenüber, der in der zweiten Hälfte des Talks programmatische Thesen für die Zukunft formulierte. Was kaum verwundert, der 79-jährige Politologe und Schriftsteller ist seit 1975 Mitglied der Grundwertekommission der Sozialdemokraten.
Strasser wurde Ende der 1960erJahre SPD-Mitglied, da er aus dem „rein intellektuellen Milieu“heraus wollte, wie er erzählte – eine SPDMitgliedschaft also, um Arbeitern zu begegnen. Kohnen thematisierte, dass die SPD damals die Partei der „angeblich kleinen Leute“gewesen sei. Die Arbeiterpartei SPD gibt es so jedoch nicht mehr, Kohnen sprach unter anderem den Bildungsaufstieg an, den erst die SPD ermöglicht habe. Jetzt sieht sie bei vielen „kleinen Leuten“diffuse Ängste und eine Distanz zur Politik, trotz guter Konjunktur und starker Wirtschaft. Für Strasser funktionieren in Zeiten der Globalisierung bisherige Mechanismen nicht mehr: Früher sei die Maxime gewesen, dass wenn man das Wachstum fördere, aus dem Zuwachs auch soziale und kulturelle Förderung erbracht werden kann. „Die Grundlagen dieses politischen Modells stimmen nicht mehr.“So gebe es auch eine Verunsicherung von bessergestellten Bürgern, die auf Pegida-Demonstrationen zu finden seien.
In Sachen Zukunftsfähigkeit sprach Kohnen die mangelnde Infrastruktur auf dem Lande im Bereich Digitalisierung und die Wohnungsnot in Großstädten wie ihrer Geburtsstadt München an. Sie kritisierte den Verkauf der 33 000 GBWWohnungen durch die Bayerische Landesbank: „Ich halte das Thema Wohnen für die soziale Frage.“In München koste ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft 600 Euro. Zu diesem Thema forderte Strasser auch selbstkritisch, den Wohnungsverkauf in der Ära Schröder anzusehen. Für Kohnen ist wichtig, dass „die SPD eine klare Haltung aus ihren Werten heraus hat“. Sie beunruhigt die Entwicklung hin zu „Nationalstaaterei“in Europa.
Strasser hält die SPD für die einzige Partei, die auf die derzeitige Situation mit neuen Ideen antworten könne. Für Strasser liegt die Zukunft in einer europäischen Föderation. „Wir brauchen hier handlungsfähige staatliche Strukturen.“Nur so könne man in dieser globalisierten Welt steuernd eingreifen. Gleichzeitig plädiert er dafür, die Kompetenzen der Kommunen zu stärken. Die Arbeit wird sich nach Strassers Ansicht weiter verändern: In der Industrie und bei wiederholbaren Tätigkeiten auf dem Dienstleistungssektor werde die Automatisierung fortschreiten. Personenbezogene Dienstleistungen wie Pflege oder Unterrichten könnten nicht so rationalisiert werden. Diese Bereiche will er unter anderem finanziell gestärkt sehen.