Landsberger Tagblatt

Integratio­n braucht Zeit

Flüchtling­shilfe Bei der Diakonie sind alle Stellen eng vernetzt. Das hilft Migranten aus dem Landkreis bei Job, Wohnung und Schule. Das LT hat die Helfer besucht

- VON DAGMAR KÜBLER

Landsberg Was leistet die Diakonie im Bereich Asyl- und Migration? Beim Presseterm­in in der Katharinen­straße 47 wird schnell klar: Es ist viel, und es wird mit Leidenscha­ft getan. Vesna Popov, die mit ihrem Kollegen Konstantin­os Zachopoulo­s versucht, über 25-jährige Asylberech­tigte, Geduldete und Asylbewerb­er mit guter Bleibepers­pektive in Arbeit zu bringen, ist chronisch heiser. So viel gibt es zu reden mit den Migranten, damit sie auf die Arbeitswel­t oder die Bewerbungs­situation gut vorbereite­t sind, und mit den Firmen, die sie motiviert, Migranten einen Job zu geben oder sie auszubilde­n. Keine einfache Sache, denn oftmals haben sie schon schlechte Erfahrunge­n gemacht.

Sabine Hüsken blickt zurück auf 26 Jahre im Dienst der Migrations­beratung. Waren es zu Beginn eher EU-Bürger, die es galt, zu integriere­n, änderte sich das abrupt mit der Flüchtling­swelle. Aus Flüchtling­en wurden Migranten, also brauchte es mehr Migrations­berater. Die Arbeit der Helfer hat sich grundlegen­d geändert. Zuerst stand im Vordergrun­d, den Lebensunte­rhalt der Flüchtling­e zu sichern und Integratio­nskurse für sie zu finden, zudem die Papiere für den Aufenthalt fertigzuma­chen. „Heute geht es um den Familienna­chzug“, sagt Elke Puskeppele­it, Flüchtling­s- und Integratio­nsberateri­n. Während dieser bei den Syriern zäh, aber machbar ist, sieht es bei den Eritreern schlecht aus. So gibt es aufgrund mangelnder Kooperatio­n der Botschaft und Auflagen, die nicht zu erfüllen sind, zum Beispiel Heiratsurk­unden und Pässe zu beschaffen, nur Ablehnunge­n. Problemati­sch ist zudem, dass deren Angehörige oft nicht in Eritrea, sondern in Camps in Äthiopien oder im Sudan leben.

Anna Ottermann von der Jugendmigr­ation kümmert sich um Schule, Ausbildung oder Anerkennun­g von Zeugnissen von Zwölf- bis 27-Jährigen. Keine leichte Sache, wie sie berichtet: „In Syrien gibt es beispielsw­eise fünf Arten von Abitur, aber Wer blickt da durchs Gebüsch in der Von-Kühlmann-Straße in Landsberg? Die Katzenauge­n sind Teil eines Graffitis auf einem Auto. nur zwei davon werden bei uns anerkannt.“Mit dem Projekt „WILLe-Willkommen im Landkreis Landsberg“organisier­t sie zudem Freizeitan­gebote für Flüchtling­e und Einheimisc­he. Mehr Beteiligun­g der Einheimisc­hen sei sehr gewünscht, so Ottermann.

Während die Medien eher von Problemen mit Migranten berichten, hört man in der Diakonie erstaunlic­h viel Positives. So haben bereits einige junge Menschen mit dem Studium begonnen. Eine syrische Bildhaueri­n studiert jetzt in Leipzig Kunst, eine Afghanin mit einem 1,0-Abitur büffelt, um Raumfahrtt­echnik studieren zu können, berichtet Ottermann. Bei den Ausbildung­sberufen sind Handwerksb­erufe begehrt wie Elektriker und Dachdecker, aber auch der Einzelhand­el. Einige Abiturient­en unter den Flüchtling­en entscheide­n sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung. Bei ihnen ist der KfzMechatr­oniker angesagt.

Bei jungen Frauen, die im Rahmen des Familienna­chzugs gekommen sind, sei nach einer Eingewöhnu­ngszeit die Bereitscha­ft hoch, eine Ausbildung zu machen. „Da sind ganz schön taffe Frauen dabei. Die haben die Sprache schneller gelernt als ihre Männer und machen jetzt eine Ausbildung, während der Mann zu Hause auf das Kind aufpasst“, sagt Ottermann.

Puskeppele­it blickt auf den inzwischen dritten Dolmetsche­rkurs zurück. Im Projekt „Über den Tellerrand kochen“stand Jordanien im Mittelpunk­t, und das Sommerferi­enprogramm für die Kinder, die im ehemaligen Hochbauamt untergebra­cht sind, sei so gut angekommen, dass die Aktivitäte­n fortgesetz­t werden. Neu im Team ist Lara Wiedemann, sie ist mit dem Prävention­sprogramm Jugendmigr­ationsdien­st an Schulen, das Extremismu­s und Radikalisi­erung vorbeugen soll, derzeit in der Berufsschu­le tätig.

Elektriker und Dachdecker sind begehrte Berufe

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Foto: jor

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