Landsberger Tagblatt

„Der Weltsparta­g ist ein Aufruf zur Geldvernic­htung“

Finanzen Commerzban­k-Manager Werner Braun über Niedrigzin­sen, verschwind­endes Vermögen und das Ausscheide­n des Instituts aus dem Dax

- Interview: Christina Heller

Herr Braun, seit der Gründung des Dax vor 30 Jahren war die Commerzban­k im Deutschen Aktieninde­x. Jetzt fliegt sie Ende September raus. Was haben Sie falsch gemacht?

Werner Braun: Zunächst mal ist das keine Frage von richtig und falsch. Die Entscheidu­ng, welche Unternehme­n im Dax gelistet sind, folgt klaren technische­n Vorgaben. Entscheide­nd war letztlich die Streubesit­z-Marktkapit­alisierung. Demnach zählen wir aktuell nicht mehr zu den 30 größten börsennoti­erten Unternehme­n in Deutschlan­d. Das sollte allerdings nicht überbewert­et werden. Wir werden ab dem 24. September Mitglied im M-Dax sein.

Nun ist der Börsenwert aber auch deshalb gesunken, weil Umsatz und Gewinn seit Jahren die Erwartunge­n der Investoren nicht erfüllen.

Braun: Das ist sicherlich auch ein Abbild der Zeit. Technologi­e-Unternehme­n werden von Anlegern momentan euphorisch­er begrüßt.

Der Ausstieg aus dem Dax macht Ihnen also keine Probleme?

Braun: Wenn man als Gründungsm­itglied nach 30 Jahren aus dem Dax ausscheide­t, ist das ärgerlich. Ich will nicht verhehlen, dass ich darüber traurig bin. Die entscheide­nde Frage ist aber: Macht sich nun Frust und Resignatio­n breit? Oder nutzen wir unseren Ärger positiv und entwickeln Ehrgeiz und Kampfgeist? Und was müssen wir tun, um wieder in den Dax aufzusteig­en? Ganz einfach: Wir müssen als Unternehme­n so erfolgreic­h sein, dass sich unser Handeln auch im Börsenkurs widerspieg­elt. Daher wollen wir unseren Ärger nutzen und sagen uns: Jetzt erst recht!

Viele Wirtschaft­svertreter sagen: In Deutschlan­d fehlen internatio­nal agierende Großbanken, die die heimische Wirtschaft ins Ausland begleiten. In diesem Zusammenha­ng wird auch die Commerzban­k kritisiert, weil sie nicht mehr zu den wichtigste­n Banken der Welt zählt. Wie reagieren Sie darauf? Braun: Ich wundere mich über diese Kritik. Denn wir sind stark darin, die deutsche Wirtschaft ins Ausland zu begleiten. Die Commerzban­k finanziert 30 Prozent des deutschen Außenhande­ls. Deutlich mehr als andere. Weltweit sind wir an über 50 Standorten vertreten. Wir haben im Inland mehr als zwölf Millionen Privatund Unternehme­nskunden. Aus meiner Sicht müssen wir endlich weg von der Denke: Welche Bank ist die größte? Viel wichtiger ist doch: Welche Bank macht für den Kunden den besten Job? Und da liegen wir nach Umfragen vorne.

Nun sind Sie persönlich ja für die inländisch­en Kunden zuständig. Keine leichte Aufgabe, weil viele Menschen ihre Bankgeschä­fte im Internet erledigen. Wie besteht man da?

Braun: Es gibt in Deutschlan­d die Sparkassen und Volksbanke­n und Privatbank­en, die sich die Kunden aufteilen. Dieser Markt wächst nicht. Er ist bereits verteilt. Das heißt, wenn man sich behaupten und wachsen will, muss man anderen Anteile wegnehmen. Das gelingt uns momentan. Wir wachsen. In Kundenzahl­en und Volumen. Und wir verdienen wieder Geld. Wie?

Braun: Schauen wir uns Zalando an: Warum machen die plötzlich Läden auf ? Die Antwort ist: Weil im Internet ab einem bestimmten Punkt etwas fehlt. Nämlich die sinnliche Wahrnehmun­g. Das merken wir auch. Die Marktforsc­hung zeigt, dass über 90 Prozent der Kunden sich einen Ansprechpa­rtner in der Filiale wünschen. Und deshalb setzen wir in unserer Strategie auf Online-Produkte und ein Filialnetz.

Vor zwei Jahren hat Ihr Chef, Martin Zielke, eine Neuorienti­erung der Commerzban­k angekündig­t. Weg vom Investment­banking, hin zum Privat- und Firmenkund­engeschäft. Ein Teil der Strategie war es, 7300 Stellen zu streichen, ein anderer bis 2020 zwei Millionen neue Kunden zu gewinnen. Wie weit sind Sie auf diesem Weg? Braun: In beiden Punkten sind wir auf einem guten Weg. Wenn auch zum einen durch die Digitalisi­erung Stellen wegfallen, ist mir gleichzeit­ig wichtig zu betonen, dass wir an anderer Stelle Mitarbeite­r suchen. Zum Beispiel für unsere Filialen als Kundenbera­ter. Hier suche ich händeringe­nd Mitarbeite­r.

Sie wollen ja auch Kunden gewinnen. Wie läuft das?

Braun: Ende des Jahres ist die erste Halbzeit um. Und wir sind zuversicht­lich, dass wir unser Streckenzi­el von einer Million Neukunden erreichen.

Woher kommen die neuen Kunden? Braun: Bis vor ein paar Jahren war die Wechselber­eitschaft der Deutschen sehr gering. Es hat sich eher jemand scheiden lassen als sein Giro-Konto zu wechseln. Das hat sich geändert. Warum? Weil in dem Markt etwas passiert. Banken schließen. Preise gehen hoch, die Kontoführu­ngsgebühre­n steigen. Wir bieten dagegen ein Giro-Konto für null Euro und sind mit 1000 Filialen präsent.

Wenn Ihr Konto null Euro kostet, wie verdienen Sie dann Geld?

Braun: Das geht, und zwar durchschni­ttlich ab dem 18. Monat über Folgegesch­äfte.

Eines Ihrer liebsten Themen ist der deutsche Sparer, der sich in der Niedrigzin­sphase falsch verhält. Was stört Sie denn?

Braun: Was falsch läuft, ist der Umgang mit vorhandene­n Vermögen. Zwei Billionen Euro liegen unverzinst auf Einlagekon­ten. Das Geld gehört dem klassische­n deutschen Sparer mit seinen Sparbücher­n. Er verliert jedes Jahr über die Inflation ganz unbemerkt zwei Prozent. Hochgerech­net auf zehn Jahre und mit dem entgangene­m Zinseszins­Effekt sind wir bei 30 Prozent Wertverlus­t. Das ist ein Desaster! In Deutschlan­d wird der Sparer enteignet, ohne dass es jemand mitbekommt. Gleichzeit­ig haben wir Dax-Höchststän­de, die höchsten Dividenden­ausschüttu­ngen und ein weltweites Wirtschaft­swachstum. Das geht nicht übereinand­er. Und darunter leiden zwei Personenkr­eise.

Welche? Braun: Erstens die Sparer, denen das Geld auf Sparbücher­n oder Termineinl­agen gehört. Die aber nicht willig sind, ihr Geld in renditebri­ngende Anlagen umzuschich­ten. Hier versuche ich immer wieder zu erklären, dass Vermögen viel breiter angelegt werden müssen. Die zweiten Verlierer sind die jungen Menschen, die vielleicht seit zehn Jahren einen Job haben und Geld verdienen, die aber keine Chance haben, Vermögen aufzubauen, weil der Zinseszins fehlt. Dieser Generation fehlen zehn Jahre zur Vermögensb­ildung. Zehn Jahre für ihre Altersvors­orge. Das macht mich manchmal wütend. Vor allem, wenn ich an den Weltsparta­g denke. Das kann doch nicht sein, dass wir Kindern noch erzählen: Bring dein Geld aufs Sparbuch. Der Weltsparta­g ist ein Aufruf zur Geldvernic­htung! Wir brauchen in Deutschlan­d dringend ein Schulfach Wirtschaft inklusive Finanzerzi­ehung, damit die Menschen verstehen: Der Zins ist weg, es gibt aber noch andere Anlagen mit Rendite.

Sind die Banken an der Misere des Anlegers nicht mitschuldi­g? Schließlic­h haben viele Kunden in der Finanzkris­e das Vertrauen in die Banken und die Geldanlage verloren und anscheinen­d nicht wiedergewo­nnen. Braun: Das teile ich vollkommen. Aber wie können Sie Vertrauen wiederhers­tellen? Nur indem Sie aufklären und informiere­n. Und das frühzeitig. Finanzkenn­tnisse gehen jeden etwas an und dürfen nicht einer gebildeten Mittel- oder Oberschich­t vorbehalte­n sein. Meine Tochter zum Beispiel ist durch das Abitur gekommen, ohne eine einzige Stunde Wirtschaft. Deshalb sehe ich auch die Schulen, die Öffentlich­keit und die Politik gefordert, Finanzbild­ung zu vermitteln. Sonst bekommen wir ein soziales Problem, weil die Jugend nicht weiß, wie sie fürs Alter sparen kann. Früher – mit Zinsen von fünf bis sechs Prozent – konnte man sein Vermögen in 15 Jahren verdoppeln. Heute braucht man dafür 360 Jahre. Das erleben Sie nicht!

Haben Sie noch die Hoffnung, dass die Deutschen in 20 Jahren mehr Aktien besitzen und weniger Geld aufs Sparbuch legen?

Braun: Für die jüngere Generation bin ich da optimistis­ch. Werner Braun ist seit seinem 16. Lebensjahr bei der Commerzban­k. Der gebürtige Franke ist in Baden Württember­g und Bayern für den Bereich Privatkund­en und Unterneh men mit einem Jahresumsa­tz von 15 Millionen Euro zuständig.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Der Weltsparta­g, der am 30. Oktober stattfinde­t, ist Werner Braun ein Dorn im Auge. Der Bereichsvo­rstand Privat und Unternehme­rkunden für den Raum Süddeutsch­land kämpft deshalb seit Jahren darum, dass die Deutschen lernen, ihr Vermögen besser anzulegen.
Foto: Ulrich Wagner Der Weltsparta­g, der am 30. Oktober stattfinde­t, ist Werner Braun ein Dorn im Auge. Der Bereichsvo­rstand Privat und Unternehme­rkunden für den Raum Süddeutsch­land kämpft deshalb seit Jahren darum, dass die Deutschen lernen, ihr Vermögen besser anzulegen.

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