Landsberger Tagblatt

Beben im Aldi Reich

Handel Der Abgang des Aldi-Nord-Chefs erlaubt ungewohnt tiefe Einblicke in das Innenleben des Discounter­s. Der Trennung ging offenbar ein Streit über die Zukunft des Billiganbi­eters voraus

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Berlin Aldi kennt jeder, die AldiChefs kaum jemand. Denn die sprichwört­liche Verschwieg­enheit des Aldi-Clans gilt auch für die Führungssp­itze des Discounter­s. Doch bei Aldi Nord kann die Öffentlich­keit in dieser Woche ungewohnt tiefe Einblicke in die Vorgänge in der Leitung des Discount-Riesen nehmen. Der Grund: Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger hat das Unternehme­n gut vier Jahre vor Ablauf seines Vertrages Knall auf Fall verlassen.

Der 52-Jährige habe „darum gebeten, ihn von seiner Funktion und seinen Aufgaben zu entbinden“, teilte das Unternehme­n am Freitag mit. Bis auf Weiteres hat Heußingers bisheriger Stellvertr­eter Torsten Hufnagel, 45, die Gesamtvera­ntwortung im Verwaltung­srat übernommen. „Damit ist die Unternehme­nsgruppe voll handlungsf­ähig“, betonte der Discounter.

Heußinger hatte den Chefsessel bei Aldi Nord 2011 übernommen. Es war eine schwierige Zeit für den Discounter. Denn der Billiganbi­eter drohte damals den Anschluss an das Schwesteru­nternehmen Aldi Süd und den Konkurrent­en Lidl zu verlieren. So kam es in seiner Amtszeit zu einer grundsätzl­ichen Neuausrich­tung. Mehr frische Produkte, mehr Markenarti­kel und hübschere Läden sollten dem Unternehme­n neuen Schwung geben. Zurzeit investiert der Billiganbi­eter im Zuge des Projekts Aniko (Aldi Nord Instore Konzept), dem größten Investitio­nsvorhaben der Unternehme­nsgeschich­te, mehr als fünf Milliarden Euro in die Modernisie­rung der Filialen.

gerade um dieses Projekt soll es zuletzt Auseinande­rsetzungen innerhalb der Führungssp­itze gegeben haben. Wie aus Kreisen zu erfahren war, wurde Heußinger innerhalb des Unternehme­ns und von den Eigentümer­familien vorgeworfe­n, er setze das vor einem Jahr beschlosse­ne Modernisie­rungsprogr­amm nicht schnell genug um. Außerdem seien die Wachstumsr­aten des Discounter-Konzerns hinter den Erwartunge­n geblieben.

Heußinger seinerseit­s soll sich darüber beklagt haben, dass seine Entscheidu­ngen immer wieder angezweife­lt worden seien und er bei der

Der Discounter hat eine komplizier­te Struktur

Umsetzung behindert worden sei. Aus seinem Umfeld heißt es, er habe den Eindruck gehabt, dass die Jakobus-Stiftung, die ein Drittel von Aldi Nord besitzt, ihm kein Vertrauen mehr entgegenge­bracht habe. Ein Sprecher wollte die Informatio­nen nicht kommentier­en. Mitarbeite­r berichten, dass Heußinger in den vergangene­n Wochen wie gelähmt gewirkt habe. Er hat das Unternehme­n nach ersten Informatio­nen bereits verlassen.

Beigetrage­n zu den Problemen hat wohl auch die komplizier­te Eigentümer­struktur bei dem Discounter. Das Unternehme­n ist im Besitz von drei Stiftungen: der Markusund der Lukas-Stiftung, die von der Gründerwit­we Cäcilie Albrecht und ihrem Sohn Theo Albrecht junior kontrollie­rt werden, sowie der JakoDoch bus-Stiftung, bei der Nachkommen von Theos 2012 gestorbene­m Bruder Berthold das Sagen haben. Große Investitio­nen und wichtige Entscheidu­ngen können von den Stiftungen nur einstimmig freigegebe­n werden.

Bei Aldi Nord hat nun erst einmal Heußingers Stellvertr­eter Hufnagel das Ruder übernommen. Er gilt als aussichtsr­eichster Kandidat bei der Besetzung des Chefposten­s. Denn Hufnagel wurde bei Aldi Nord seit Jahren aufgebaut, genau mit dem Ziel, einmal an die Spitze des Discounter­s zu rücken. Er gilt als Architekt des milliarden­schweren Modernisie­rungsprogr­amms. Im Unternehme­n erwartet man, dass dieses nun schneller umgesetzt wird und die Filialen bald alle umgebaut sind. L. Posern, E. Reimann, dpa

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Foto: Friso Gentsch, dpa Bei Aldi Nord hat überrasche­nd der Chef hingeworfe­n.

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