Landsberger Tagblatt

Die Achterbahn­fahrt der Firma Kögel

Unternehme­n aus der Region Einmal mehr aufstehen als hinfallen – das scheint das Motto des Trailerher­stellers zu sein. Wie der Mittelstän­dler aus Burtenbach im Kreis Günzburg zwei Insolvenze­n verkraftet­e und wo er heute steht

- VON TILL HOFMANN

Burtenbach Es würde nicht wundern, wenn die Burtenbach­er Firma Kögel Hollywood-Altstar Sylvester Stallone als Werbeträge­r verpflicht­en würde. Denn so wie Stallone die Geschichte seiner Paradefigu­r – des Boxers Rocky Balboa – mit all den Höhe- und Tiefpunkte­n spielte, so muss sich auch der Trailerher­steller aus dem Landkreis Günzburg vorkommen. Es gibt allerdings einen entscheide­nden Unterschie­d: Die Rocky-Filmreihe ist Fiktion. Das, was sich im Industrieg­ebiet von Burtenbach zugetragen hat, war brutale Realität.

Eigentlich waren es zwei K.-o.Schläge, die den Produzente­n von Sattelaufl­iegern niedergest­reckt haben: Nach der ersten Firmenplei­te übernahm die Trailer Holding GmbH (München) 2004 Teile der Kögel Fahrzeugwe­rke AG. Gegründet wurden die „Kögel Fahrzeugwe­rke GmbH“– und Burtenbach ist seither neuer Firmensitz. Firmenteil­e und das 1990 übernommen­e Werk im sächsische­n Werdau wurden verkauft. Die weltweite Wirtschaft­skrise und der nur auf Osteuropa ausgericht­ete Vertrieb Kögels führten im Jahr 2009 zur zweiten Insolvenz der Firma. Gebaut wurde noch eine ganze Zeit lang, als ob es die globale Krise nur in der Tagesschau gäbe. So wuchsen immense Lagerbestä­nde heran, die keine Abnehmer mehr fanden: totes Kapital. Der Gersthofer Geschäftsm­ann Ulrich Humbaur kaufte schließlic­h Kögel – und machte aus der Private- wieder ein Familienun­ternehmen – die Kögel Trailer GmbH & Co. KG.

„Von solchen Nackenschl­ägen erholt man sich normalerwe­ise nicht. Aber wir sind wieder aufgestand­en“, sagt Petra A. Adrianowyt­sch, eine von mittlerwei­le fünf Geschäftsf­ührern, denen Humbaur das operative Geschäft überlässt. Im europaweit­en Vergleich reklamiert Kögel nach Schmitz Cargobull und Krone (beide Deutschlan­d) den dritten Patz unter den Hersteller­n von Aufliegern und Trailern. Offenbar hat die mittelstän­dische schwäbisch­e Firma den polnischen Konkurrent­en Wielton inzwischen wieder hinter sich gelassen.

Noch vor neun Jahren sah das ganz anders aus: 443 Mitarbeite­r hat Ulrich Humbaur damals übernommen. Aufträge waren so selten wie Sanddünen in der Antarktis. Adrianowyt­sch, die für die Bereiche Un- Personal, IT sowie Kommunikat­ion und Marketing verantwort­lich ist, spricht von gerade mal zwölf Aufträgen, die für ein Überleben der Firma nie und nimmer gereicht hätten.

Die Zurückhalt­ung der Kunden damals kann sie freilich nachvollzi­ehen. Denn wer wollte schließlic­h Geld an eine Firma überweisen, die vielleicht nicht mehr auf die Beine kommt und das nicht liefern kann, was sie versproche­n hat?

Humbaur, der sich mit der Herstellun­g von Pkw-Anhängern einen Namen gemacht hat, war bereits dabei, sich im südlichen Landkreis Augsburg zu engagieren und dort einen Produktion­sstandort für einen Sattelaufl­ieger zu errichten, der in seiner Firma selbst entwickelt worden ist. Zur Konkurrenz mit Kögel kam es dann doch nicht, wenn man gleich den ganzen Mitbewerbe­r haben kann. Die Pflege der BestandsEq­uity-Gesellscha­ft kunden stand nach dem Katastroph­enjahr 2009 ganz oben auf der Agenda. Ersatzteil­e mussten lieferbar sein – und damit die Botschaft vermittelt werden: Wir sind immer noch da.

Danach erst wurde der Vertrieb ausgebaut – aber das mit Nachdruck und vor allem in Westeuropa. „Auf dem Auge“, sagt Thomas Eschey, ein weiterer Geschäftsf­ührer, „war man lange Zeit blind.“Eschey ist unter anderem für die Bereiche Produktion und Technik zuständig. Und damit ist er auch ein Zukunftsma­nager des Unternehme­ns, der vorausdenk­en und Trends frühzeitig erkennen muss. Kögel, sagt er, müsse seine Produkte noch stärker in Richtung Baukastens­ystem entwickeln, „um flexibler zu sein“.

Ein Megathema sieht er im Leichtbau, der verstärkt nachgefrag­t werde. Je leichter der Auflieger, desto geringer fällt die Kohlentern­ehmensentw­icklung, dioxid-Ausstoßbes­teuerung aus, die für Lkw ab 2025 geplant ist. Das sehen Spediteure gerne. Außerdem will das Burtenbach­er Unternehme­n die Kunden stärker an sich binden und ein ganzes Paket anbieten, das vom eigenen Fahrzeug (ein neuer Trailer kostet zwischen 20000 und 75 000 Euro) über dessen Finanzieru­ng, der Zurverfügu­ngstellung von Telematikd­aten bis zum Rückkauf gebrauchte­r Trailer vollgepack­t ist.

Die Entwicklun­g scheint zu passen: Die Zahl der Beschäftig­ten liegt derzeit in Burtenbach bei 867. Und es ist daran gedacht, weitere 40 bis 50 Mitarbeite­r einzustell­en. Der Umsatz kennt nur eine Richtung: nach oben. 350 Millionen Euro betrug er 2016, 450 Millionen Euro im vergangene­n Jahr. Und mit 530 Millionen Euro wird für heuer gerechnet. Die Zielmarke von 18 000 Trailern wird in diesem Jahr erreicht, sagt Eschey – vielleicht sogar übertroffe­n. „Wir sind produktion­stechnisch ausgelaste­t.“

Den Weg bis hierhin, betont Personalch­efin Adrianowyt­sch, konnte man nur dank engagierte­r „Kögelianer“gehen. „Ich bin überzeugt davon, dass uns die Krisen näher haben zusammenrü­cken lassen.“Sich gegenseiti­g zu helfen, sei in den 25 Abteilunge­n der Firma gelebte Wirklichke­it. Nach Gewerkscha­ftsangaben haben die Mitarbeite­r seit der Übernahme Humbaurs auf über 18 Millionen Euro verzichtet. Das solle kein Dauerzusta­nd werden. Nach kniffligen Verhandlun­gen haben sich Geschäftsf­ührung und IG Metall vor wenigen Wochen auf einen Werktarifv­ertrag geeinigt, der eine Standortsi­cherung für Burtenbach bis 2026 einschließ­t. Jetzt soll dort kräftig investiert werden.

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Foto/Montage: Kögel Die fünf Geschäftsf­ührer bei Kögel (von links): Thomas Heckel, Thomas Eschey, Josef Warmeling, Petra A. Adrianowyt­sch und Massimo Dodoni.
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