Im Wald der uralten Bäume
Serie (6) Ein Spaziergang im Paterzeller Eibenwald ist etwas Besonderes. Über 700 Jahre alte Eiben gibt es dort. Weil im Mittelalter Langbogen und Armbrüste aus dem Holz gemacht wurden, sind sie sehr selten
Ferien Sonne, Freibad – diese Kombination funktioniert immer. Zwischendurch lockt aber auch ein Besuch in einem Museum oder einer anderen Lokalität, denn der Ferientag will mit spannenden Eindrücken gefüllt werden. Das Landsberger Tagblatt hat sich über die Landkreisgrenzen hinweg umgesehen und nach spannenden Ausflugszielen in der Region gesucht. Heute den Eibenwald bei Paterzell.
Paterzell Es ist „Liebe auf den zweiten Blick“, wie es Förster Markus Resch ausdrückt. Wer vom Waldparkplatz aus den ausgeschilderten Eibenpfad in Paterzell südlich von Wessobrunn im Landkreis Weilheim-Schongau betritt, findet auf den ersten Schritten Buchen und Fichten vor, bis sich die erste Eibe zeigt. Klein, oft mit gewundenem Stamm breitet sie ihre zerzausten Äste mit dunkelgrünen Nadeln aus: ein in seiner Optik eher unscheinbarer Baum, der höchstens durch bizarren Wuchs besticht. Doch wer sich mit der Eibe beschäftigt, ist schnell fasziniert von dieser ältesten heimischen Baumart, die in vielen Kulturen eine mythische Rolle spielt und wegen ihres Holzes einst hochbegehrt war. Das hat sie hierzulande fast ausgerottet. Doch davon später.
„Die Eiben hier sind zum Teil 700 Jahre alt“, erzählt Markus Resch. Er betreut den Wessobrunner Forstgebiet des Forstbetriebs Landsberg der Bayerischen Staatsforsten. 25 Hektar Eibenwald sind staatlicher Forst und zählen zu Reschs Revier. Das Eibenareal des ehemaligen Klosterwaldes ist etwas Besonderes, einer der größten zusammenhängenden Bestände der Europäischen Eibe in Deutschland. 1939 unter Schutz gestellt, zählt er zu den ältesten Naturschutzgebieten Deutschlands und beherbergt über 2000 Alteiben. Begonnen hat der Naturschutz schon 1913, als auf Betreiben des Weilheimer Arztes Dr. Fritz Kollmann der Eibenwald als staatliches Naturdenkmal ausgewiesen wurde, wie der Forstbetrieb auf seiner Homepage veröffentlicht. An den beiden Parkplätzen gibt es Faltblätter, die über die Eibe und ihre Geschichte informieren, ebenso wie Tafeln entlang des Pfades. Beispielsweise, warum so viele Eiben im Mittelalter gefällt wurden: Sie eigneten sich gut zum Bauen von Langbogen und Armbrüsten. „Das Holz ist hart, haltbar und elastisch“, erzählt Markus Resch. Die Briten hätten Eibenholz quasi als Zoll verlangt, wenn Ware nach England verschifft worden sei. Und so schrumpfte das Vorkommen dieses langsam wachsenden Baumes.
In Paterzell steht der Eibenwald auf einer meterdicken Tuffschicht, eine Gesteinsart, die sich bildet, wenn kaltes, kalkhaltiges Grundwasser austritt und sich verfestigt. Wer den rund einstündigen Pfad entlang geht, stößt immer wieder auf kleine Bächlein, an deren Rändern sich die Eibe besonders wohlfühlt. „Wir gehen nur noch rein, wenn es ein Käferproblem gibt“, erläutert der Förster, dass hier keine forstliche Nutzung stattfindet.
Seit 20 Jahren funktioniert laut Resch die Naturverjüngung, das heißt, aus den Samen der Eibe, die zu Boden fallen, werden wieder kleine Eibenbäumchen. Das rote Fruchtfleisch um die Samen ist übrigens das einzig Nichtgiftige an der Eibe. Alle anderen Pflanzenteile enthalten das Gift Taxin. „Die Rehe naschen trotzdem davon, sie wissen offensichtlich, wann es genug ist.“Pferde dagegen nicht, schon eine ge- ringe Menge kann ein Pferd töten. Wer Literatur über Eiben studiert, erfährt, dass schon im Altertum Eiben zu medizinische Zwecken genutzt wurden, und der Autor Fred Hageneder weist in seinem Eibenbuch auf einen indischen Text aus dem sechsten Jahrhundert hin, dem zufolge bereits Eibenextrakte zur Heilung von Unterleibskrebs verwendet wurden. Taxol, ein Wirkstoff aus der Eibe, wird heute in der modernen Chemotherapie verwendet, um Tumore zu hemmen.
War es früher die Nachfrage nach Waffenholz, die der Eibe schadete, kam später die Furcht von Fuhrleuten und Hirten vor der Vergiftung ihres Viehs hinzu, die zur Dezimierung führte. Heute ist es Vandalismus, dem die stärkste Eibe im Paterzeller Wald zum Opfer fiel: Der ausgebrannte Stumpf ist am Wegesrand noch erkennbar.
In vergangenen Jahrhunderten wäre so ein Baumfrevel wohl nicht denkbar gewesen: Die Kelten verehrten die Eibe als heiligen Baum und die Germanen wehrten mit Eibenzweigen bösen Zauber ab. Die Eibe spielte auch in der Antike im Nahen Osten oder in Asien eine mythische Rolle. In Paterzeller Wald findet Förster Resch auch um die eine oder andere Esche Rosenblätter, doch mehr ist bei diesem Spaziergang
Das Holz ist hart, haltbar und elastisch
Innenwurzeln sorgen für neue Stabilität
von esoterischem Gebaren nicht zu sehen. Wir treffen dagegen auf eine recht bodenständige Gruppe: Biobäuerinnen aus der Region kommen mit dem Förster ins Gesprächs – schnell ist von Baumpflanzungen und Naturverjüngungen die Rede. Doch auch wenn man im Bereich der naturwissenschaftlichen Fakten bleibt, so erscheint die Eibe als wunderbares Gewächs: Immergrün, selbst an milden Wintertagen zu Fotosynthese fähig, im Schatten anderer wachsend oder sich an Felswände klammernd wird sie uralt – über 1000 Jahre heißt es dazu im Prospekt des Forstbetriebes. Und sie hat die Fähigkeit, sich zu verjüngen: Über Innenwurzeln, die sich von oben in den Boden eingraben und ein ausgehöhltes Stamminneres füllen, tief hängende Zweige, die wurzeln oder ein umgestürzter Stamm, der austreibe.