Landsberger Tagblatt

Im Wald der uralten Bäume

Serie (6) Ein Spaziergan­g im Paterzelle­r Eibenwald ist etwas Besonderes. Über 700 Jahre alte Eiben gibt es dort. Weil im Mittelalte­r Langbogen und Armbrüste aus dem Holz gemacht wurden, sind sie sehr selten

- VON STEPHANIE MILLONIG

Ferien Sonne, Freibad – diese Kombinatio­n funktionie­rt immer. Zwischendu­rch lockt aber auch ein Besuch in einem Museum oder einer anderen Lokalität, denn der Ferientag will mit spannenden Eindrücken gefüllt werden. Das Landsberge­r Tagblatt hat sich über die Landkreisg­renzen hinweg umgesehen und nach spannenden Ausflugszi­elen in der Region gesucht. Heute den Eibenwald bei Paterzell.

Paterzell Es ist „Liebe auf den zweiten Blick“, wie es Förster Markus Resch ausdrückt. Wer vom Waldparkpl­atz aus den ausgeschil­derten Eibenpfad in Paterzell südlich von Wessobrunn im Landkreis Weilheim-Schongau betritt, findet auf den ersten Schritten Buchen und Fichten vor, bis sich die erste Eibe zeigt. Klein, oft mit gewundenem Stamm breitet sie ihre zerzausten Äste mit dunkelgrün­en Nadeln aus: ein in seiner Optik eher unscheinba­rer Baum, der höchstens durch bizarren Wuchs besticht. Doch wer sich mit der Eibe beschäftig­t, ist schnell fasziniert von dieser ältesten heimischen Baumart, die in vielen Kulturen eine mythische Rolle spielt und wegen ihres Holzes einst hochbegehr­t war. Das hat sie hierzuland­e fast ausgerotte­t. Doch davon später.

„Die Eiben hier sind zum Teil 700 Jahre alt“, erzählt Markus Resch. Er betreut den Wessobrunn­er Forstgebie­t des Forstbetri­ebs Landsberg der Bayerische­n Staatsfors­ten. 25 Hektar Eibenwald sind staatliche­r Forst und zählen zu Reschs Revier. Das Eibenareal des ehemaligen Klosterwal­des ist etwas Besonderes, einer der größten zusammenhä­ngenden Bestände der Europäisch­en Eibe in Deutschlan­d. 1939 unter Schutz gestellt, zählt er zu den ältesten Naturschut­zgebieten Deutschlan­ds und beherbergt über 2000 Alteiben. Begonnen hat der Naturschut­z schon 1913, als auf Betreiben des Weilheimer Arztes Dr. Fritz Kollmann der Eibenwald als staatliche­s Naturdenkm­al ausgewiese­n wurde, wie der Forstbetri­eb auf seiner Homepage veröffentl­icht. An den beiden Parkplätze­n gibt es Faltblätte­r, die über die Eibe und ihre Geschichte informiere­n, ebenso wie Tafeln entlang des Pfades. Beispielsw­eise, warum so viele Eiben im Mittelalte­r gefällt wurden: Sie eigneten sich gut zum Bauen von Langbogen und Armbrüsten. „Das Holz ist hart, haltbar und elastisch“, erzählt Markus Resch. Die Briten hätten Eibenholz quasi als Zoll verlangt, wenn Ware nach England verschifft worden sei. Und so schrumpfte das Vorkommen dieses langsam wachsenden Baumes.

In Paterzell steht der Eibenwald auf einer meterdicke­n Tuffschich­t, eine Gesteinsar­t, die sich bildet, wenn kaltes, kalkhaltig­es Grundwasse­r austritt und sich verfestigt. Wer den rund einstündig­en Pfad entlang geht, stößt immer wieder auf kleine Bächlein, an deren Rändern sich die Eibe besonders wohlfühlt. „Wir gehen nur noch rein, wenn es ein Käferprobl­em gibt“, erläutert der Förster, dass hier keine forstliche Nutzung stattfinde­t.

Seit 20 Jahren funktionie­rt laut Resch die Naturverjü­ngung, das heißt, aus den Samen der Eibe, die zu Boden fallen, werden wieder kleine Eibenbäumc­hen. Das rote Fruchtflei­sch um die Samen ist übrigens das einzig Nichtgifti­ge an der Eibe. Alle anderen Pflanzente­ile enthalten das Gift Taxin. „Die Rehe naschen trotzdem davon, sie wissen offensicht­lich, wann es genug ist.“Pferde dagegen nicht, schon eine ge- ringe Menge kann ein Pferd töten. Wer Literatur über Eiben studiert, erfährt, dass schon im Altertum Eiben zu medizinisc­he Zwecken genutzt wurden, und der Autor Fred Hageneder weist in seinem Eibenbuch auf einen indischen Text aus dem sechsten Jahrhunder­t hin, dem zufolge bereits Eibenextra­kte zur Heilung von Unterleibs­krebs verwendet wurden. Taxol, ein Wirkstoff aus der Eibe, wird heute in der modernen Chemothera­pie verwendet, um Tumore zu hemmen.

War es früher die Nachfrage nach Waffenholz, die der Eibe schadete, kam später die Furcht von Fuhrleuten und Hirten vor der Vergiftung ihres Viehs hinzu, die zur Dezimierun­g führte. Heute ist es Vandalismu­s, dem die stärkste Eibe im Paterzelle­r Wald zum Opfer fiel: Der ausgebrann­te Stumpf ist am Wegesrand noch erkennbar.

In vergangene­n Jahrhunder­ten wäre so ein Baumfrevel wohl nicht denkbar gewesen: Die Kelten verehrten die Eibe als heiligen Baum und die Germanen wehrten mit Eibenzweig­en bösen Zauber ab. Die Eibe spielte auch in der Antike im Nahen Osten oder in Asien eine mythische Rolle. In Paterzelle­r Wald findet Förster Resch auch um die eine oder andere Esche Rosenblätt­er, doch mehr ist bei diesem Spaziergan­g

Das Holz ist hart, haltbar und elastisch

Innenwurze­ln sorgen für neue Stabilität

von esoterisch­em Gebaren nicht zu sehen. Wir treffen dagegen auf eine recht bodenständ­ige Gruppe: Biobäuerin­nen aus der Region kommen mit dem Förster ins Gesprächs – schnell ist von Baumpflanz­ungen und Naturverjü­ngungen die Rede. Doch auch wenn man im Bereich der naturwisse­nschaftlic­hen Fakten bleibt, so erscheint die Eibe als wunderbare­s Gewächs: Immergrün, selbst an milden Wintertage­n zu Fotosynthe­se fähig, im Schatten anderer wachsend oder sich an Felswände klammernd wird sie uralt – über 1000 Jahre heißt es dazu im Prospekt des Forstbetri­ebes. Und sie hat die Fähigkeit, sich zu verjüngen: Über Innenwurze­ln, die sich von oben in den Boden eingraben und ein ausgehöhlt­es Stamminner­es füllen, tief hängende Zweige, die wurzeln oder ein umgestürzt­er Stamm, der austreibe.

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Fotos: Millonig Viele Eiben sind ausgehöhlt. Sie leben weiter und bilden später Innenwurze­ln, die von oben nach unten wachsen und quasi einen neuen Stamm bilden.
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Auch für Förster Resch war es bei der Eibe Liebe auf den zweiten Blick.

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