Landsberger Tagblatt

Freiheit und Angst

- VON EVANG. LUTH. DEKAN GERHARD WOLFERMANN, NÖRDLINGEN

Freiheit und Angst sind Gegensätze. Aber unsere gesellscha­ftlichen Debatten sind angstbeset­zt. Da ist die Angst vor dem Verlust der freiheitli­ch demokratis­chen Ordnung, die Angst vor Überfremdu­ng, die Angst vor rechtsradi­kalen Umtrieben und die Angst vor den Folgen der digitalen Revolution. Natürlich gibt es Gründe, diese Entwicklun­gen kritisch zu betrachten. Aber wer aus Angst um die Freiheit die Rechte der Bürger beschneide­n will, schadet dieser.

Wer aus Angst die Zuwanderun­g von Menschen aus bestimmten Religionen verbieten will, verletzt die Religionsf­reiheit, statt zu formuliere­n, welche Bedingunge­n für den Genuss dieser Freiheit gelten. Wer den politische­n Gegner in die rechte Ecke stellt, verhindert den Dialog über dessen berechtigt­e Anliegen. Wer sich aus Angst den Entwicklun­gen der digitalen Revolution verweigert, vergibt die Chance, zukunftsfä­hige Modelle für den Umgang damit zu gestalten. Es braucht einen angstfreie­n Dialog, es braucht Freiheit von den eigenen Ängsten für einen sinnvollen Umgang mit den Problemen der Zeit. Als Christen sind wir zur Freiheit berufen. Freiheit hat auch religiöse Wurzeln. Die Freiheit eines Christenme­nschen ist zunächst innere Freiheit, die in der Gewissheit des Glaubens gründet: Ich bin Gott recht. Ich muss mir meine Daseinsber­echtigung nicht verdienen, ich muss Gott nicht beweisen, dass ich liebenswer­t bin, weil er mich um Jesu willen liebt, vor allem, was ich tun könnte. Die Gewissheit, Gottes Kind zu sein, macht frei von Angst um sich selbst aber auch von der Angst vor Menschen. Wer von Gott angesehen ist, der braucht keine Angst um sein Ansehen bei den Menschen haben. Diese christlich­e Freiheit führt zu einer Lebenshalt­ung, die sich berufen weiß, diese Freiheit zu nutzen, sie zum Guten einzusetze­n und Verantwort­ung zu übernehmen. Vielleicht ist das der Dienst der Kirchen heute: durch die Verkündigu­ng des Evangelium­s Menschen diese Freiheit neu zuzusprech­en, dazu zu helfen, die Freiheit wertzuschä­tzen.

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