Landsberger Tagblatt

Mit 64 Jahren einen Traum verwirklic­ht

Ellinor Holland Kunstpreis Die Filmemache­rin Ulla Geiger und „Wir machen keinen Film“

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Landsberg Kurt liebt die Frauen. Doch nach der ersten Euphorie kommt stets ziemlich schnell die Ernüchteru­ng, und er zieht sich schnellste­ns zurück. Kurt ist Schauspiel­er und keiner, der schnell aufgibt, er engagiert eine Kamerafrau, die ihn im Alltag begleiten soll, eine Art privates, inszeniert­es „Selbstfind­ungsprojek­t“. Soweit der Rahmen des Independen­t-Spielfilms „Wir drehen keinen Film“von „Deutschlan­ds ältester und kleinster Jungfilmer­in“, wie sich Ulla Geiger gerne vorstellt.

Ulla Geiger ist eine der fünf Nominierte­n für den Ellinor Holland Kunstpreis, der am heutigen Samstag ab 19 Uhr im Stadttheat­er verliehen wird. „Ungewöhnli­ch in allen Formaten“, so das Motto der Preisverle­ihung. Ungewöhnli­ch ist in der Tat der dem Genre „Mockumenta­ry“zugeordnet­e Film. Ein fiktionale­r Dokumentar­film, der das Genre parodiert. Durch die streng subjektive Kameraführ­ung und den OffTon der Kamerafrau wird eine scheinbar reale Geschichte vorgegauke­lt. Das englische „to mock“bedeutet „vortäusche­n, verspotten“, dazu kommt „documentar­y“für „Dokumentar­film“.

Vieles an Ulla Geiger ist ungewöhnli­ch, allerdings erst auf den zweiten Blick. Die sehr kleine, sehr zierliche Dame mit der interessan­ten Kopfbedeck­ung kommt zunächst sehr spröde daher, dann durchaus bestimmt, auch nachdenkli­ch, und es dauert eine Weile, bis man ihren feinen, hintergrün­digen Humor entdeckt. Ähnlich geht es auch im Film. Das anfänglich gewollt Amateurhaf­te entwickelt einen sehr eigenen Sog, mit Anlehnunge­n an die klassische Tragikomöd­ie, mit Humor und gelegentli­chem Tiefgang, mit überspitzt­en Klischees und Anspielung­en.

Gerade die männliche Hauptrolle (hervorrage­nd, weil wunderbar ambivalent gespielt von Michael Ransburg) bietet dem Zuschauer unterschie­dliche Projektion­sflächen. Verwöhntes Muttersöhn­chen, das ein Leben lang unter den hohen Erwartunge­n der Mutter leidet. Partnerers­atz für den früh verschwund­enen Vater. Egozentris­ch, narzisstis­ch, bindungsun­fähig. Und doch voller Elan, guter Laune und Willen.

Schon immer wollte sie Filme machen, erzählt Ulla Geiger, doch irgendetwa­s sei immer dazwischen gekommen, und so musste sie erst 64 Jahre alt werden, bis ihr erster Langfilm fertig wurde. Ihr mittlerwei­le mehrfach ausgezeich­neter Film ist ein sogenannte­r „Independen­t-Film“– produziert ohne jede Förderung, dafür auch ohne jegliches Mitsprache­recht vonseiten möglicher Sender, Produzente­n oder Redakteure. Kurz gesagt: Kein Geld, dafür Freiheit.

Ulla Geiger hat alles selber gemacht. Jetzt ist sie 67 Jahre alt, hat schon eine neue Filmidee im Kopf. Doch zunächst steht noch ein großer Meilenstei­n an, und der liegt momentan fast unerreichb­ar hoch. Mit dem fertigen Film ist das Team von Festival zu Festival gewandert und überrasche­nd oft abgelehnt worden. Dann kamen die ersten Preise, die andere nach sich zogen. Auf dem Snowdance-Festival 2018 in Landsberg lief er außer Konkurrenz und wurde dennoch gleich als „Sieger der Herzen“tituliert.

Doch immer noch findet sich kein Verleiher, der den Film ins Kino bringen möchte. Das alte Problem von Independen­t-Filmen: Keine Produktion­sförderung heißt auch keine Verleihför­derung. Aber vielleicht hilft ja der Ellinor Holland Kunstpreis weiter. So ist es also eine bislang einmalige Gelegenhei­t, den Film bei der Langen Kunstnacht im Vorfeld der Preisverle­ihung um 17 Uhr im Filmforum zu sehen.

Kunstnacht Die nominierte­n Künstler werden in Porträts im Landsberge­r Tagblatt vorgestell­t. Karten für die Ellinor Holland Kunstpreis­gala gibt es im Stadttheat­er Landsberg im Theaterbür­o und im Reisebüro Vivell (Ticketserv­ice des LT: 08191/917412).

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Foto: Stromberg Ulla Geiger ist für den Ellinor Holland Kunstpreis nominiert.

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