Einmal die Zeit anhalten, bitte
Oktoberfest Der Fotograf Nick von Fürstenberg aus Pürgen übernimmt den „Hofphotograph“auf der Wiesn. Dort können sich die Besucher auf eine Reise in die Vergangenheit begeben. Warum man nicht lachen sollte
Pürgen/München Dass sein Nachname mal so gut zu seinem Geschäft passen würde, hätte er nicht gedacht. Seit drei Jahren klafft für viele Wiesn-Besucher eine große Lücke im emsigen Treiben des Oktoberfestes. Jetzt hat Nikolaus Freiherr von Fürstenberg den Laden übernommen und ist nun der königlich-bayrische Hofphotograph auf dem Oktoberfest – „die erste Adresse für stilvolle Photographien in der Tradition der Atelier-Fotografie der Jahrhundertwende“. Oder wie seine Frau Cornelia es augenzwinkernd zusammenfasst: „Der wohl einzige adlige Schausteller Deutschlands.“
Noch wird auf der Theresienwiese überall gehämmert, Gabelstapler fahren herum, Schweißfunken sprühen. Im kleinen, heimeligen Laden des Hofphotographen hängen bereits die herrschaftlichen Kleider, die Anzüge und Uniformen, die Hüte und Pickelhauben. In der Ecke stehen Säbel, Schrotflinten und altertümliche Schirme bereit.
Wenn man vom Haupteingang aus, gegenüber vom Hofbräuzelt abbiegt, befindet sich rechter Hand genau zwischen dem Schießstand und dem Fruchtladen ein aus der Zeit gefallenes Ladengeschäft in rotem Brokat. Überall hängen sepiafarbene Fotografien in goldenen Rahmen. Lauter Pfarrer, Soldaten und großbürgerliche Advokaten sind zu sehen, feine, puritanischhochgeschlossene Damen und wilde Ladys. Alle schauen mit angemessenem Ernst und würdevoller Haltung in die Kamera.
Lachen war seinerzeit nicht angesagt. Nicht auf Fotos. Fotografiert zu werden, war ein feierliches Event. Der arrangierte Augenblick – festgehalten für die Ewigkeit – wurde zelebriert. Ein Foto war teuer und daher selten. Also musste alles stimmen. Das Geschäft von Nick von Fürstenberg auf der Wiesn ist daher wie eine kleine Zeitreise. Man wählt ein Kostüm beziehungsweise sich von den angestellten Damen beraten, schlüpft hinein (jedes Kostüm ist hinten offen und zum binden, man muss sich also nicht extra entkleiden) und wird vor entsprechend altertümlicher Kulisse noch mit passenden Accessoires ausgestattet. Und schon ist man ein anderer Mensch. Oft erkenne sie die Person vom Foto gar nicht wieder, erzählt Cornelia von Fürstenberg, wenn sie dann in Alltags- oder vor ihr stehe und ihr Bild abholen wolle.
Nick und seine Frau Cornelia haben dieses Jahr das Geschäft vom langjährigen ehemaligen Hofphotographen Stephan Bastian übernommen. Zwei Jahre lang hatte er keinen Nachfolger gefunden und die Wiesn musste auf den Hofphotographen verzichten. Dann trafen Nicks Eltern, die Filmproduzenten und Autoren Molly und Veith von Fürstenlässt berg, auf Stephan Bastian und vermittelten ihn gleich weiter an ihren Sohn, der als Kameramann und Fotograf ebenfalls im Filmgeschäft arbeitete.
Geboren wurde er 1976 in München. Aufgewachsen ist er auf einem renovierten ehemaligen Bauernhof in Pürgen. Landschulheim Schondorf, IKG und Abschluss in England. Dann ein abgebrochenes Physikstudium in München, KameraasWiesnklamotten sistent bei Arri und jahrelange Reisen als Kameramann für Filmproduktionen durch Europa. Dann lernte er seine heutige Frau Cornelia kennen, die auf der Münchner Otto Falkenberg Schule zur Schauspielerin ausgebildet wurde. Sie ist derzeit auf der Schwabinger Kleinstbühne „Heppel & Ettlich“in dem Stück „Der Gott des Gemetzels“auf Bayerisch zu sehen. Sie überzeugte ihn, noch mal ein Fotodesignstudium anzuhängen. Tochter Zoe kam zur Welt und war gerade ein halbes Jahr alt, als die Anfrage für den Hofphotographen kam.
„Ein wildes Jahr“, fasst es die junge Mutter zusammen. Sie hätten zehn Minuten überlegt, aber „eigentlich passe alles so wunderbar zusammen“, sagt Nick von Fürstenberg. Er als Fotograf, seine Frau als Schauspielerin, dazu ergänzen noch zwei Freunde aus Berlin das Team, sein alter Schulfreund Quirin Pils
Anzüge, Uniformen, Hüte und Pickelhauben
„Jeder macht das, was er liebt.“
aus Thaining (als Webdesigner zuständig für die Technik und den Druck der Fotos) und dessen modebegeisterte Frau Monique Barneck. „Eine Traumbesetzung für die Bude. Jeder macht das, was er liebt.“Stephan Bastian arbeitet im Hintergrund noch mit und stellt sicher, dass sein in knapp 30 Jahren aufgebautes Geschäft in gute Hände kommt. Auf vier Festen wird das Geschäft jährlich eröffnet, der Maidult sowie der Kirchweihdult in der Au, dem Straubinger Gäubodenfest und natürlich „in der Champions League“, dem Oktoberfest.
Im Laufe der Jahre war bereits viel Prominenz beim Hofphotographen: Modeschöpfer Rudolph Moshammer, der frühere OB Christian Ude, sein Nachfolger Dieter Reiter, Schauspieler Heino Ferch, Kabarettistin Luise Kinseher, die Spider Murphy Gang, Monika Gruber und viele andere, deren Fotos auf eine Litfaßsäule neben dem Laden geklebt sind. Da es für die von Fürstenbergs die erste Wiesn ist, sind sie schon ganz gespannt, wer alles vorbeikommen wird.