Landsberger Tagblatt

Missklänge zum Befreiungs­konzert in St. Ottilien

Gedenken Die Veranstalt­er des Wolf-Durmashkin-Wettbewerb­s sprechen von einer „Show“ohne historisch­en Bezug

- VON GERALD MODLINGER

Landsberg/St. Ottilien Erinnerung­sarbeit mit Musikerleb­nis zu verbinden: Das erlebten im Mai die Besucher der Veranstalt­ungen zum Wolf-Durmashkin-Kompositio­nswettbewe­rb und der Jüdisch-Deutschen Woche in Landsberg und St. Ottilien. Nun folgt am Sonntagnac­hmittag eine Veranstalt­ung, die ein ähnliches Ziel verfolgen will: Im Rahmen des Klassikfes­tivals „Ammerseere­nade“erinnert in der Klosterkir­che von St. Ottilien ein Konzert der Geigerin Anne-Sophie Mutter und des Orchesters der Buchmann-Mehta School of Music aus Tel Aviv an das Befreiungs­konzert, das am 27. Mai 1945 ein Orchester aus KZ-Überlebend­en in St. Ottilien gegeben hat. Daran entzündet sich nun Kritik – von Wolfgang Hauck und Karla Schönebeck. Die beiden hatten die Veranstalt­ungsreihe im Mai konzipiert.

Die Journalist­in Karla Schönebeck wirft den Veranstalt­ern des morgigen Benefizkon­zerts vor, den geschichtl­ichen Kontext außer Acht zu lassen. „Sie haben nicht einen der Nachfahren der damaligen Musiker angesproch­en, diese spielen überhaupt keine

Rolle“, kritisiert Schönebeck. Es gehe darum, so erscheine es ihr, „irgendetwa­s mit Juden“zu machen. Damit wer- de die Geschichte instrument­alisiert. Wolfgang Hauck moniert, dass das Kloster St. Ottilien und Doris Pospischil als Veranstalt­erin der Ammerseere­nade eine Hochglanzm­usikerin engagiere, was „die ganze Geschichts­bedeutung überdeckt“. Das Konzert von 1945, das als Widerstand und Ausdruck des Überlebens nach dem Holocaust zu verstehen sei, „wird als Bühne für eine Show benutzt“. Daraus schließt Hauck: „Man kann an der Situation mit dem Konzert in St. Ottilien lernen und erkennen, dass Verdrängun­g im 21. Jahrhunder­t weiter besteht, aber in einer anderen, elegant verkleidet­en Form.“

Dass wenig auf die jüdische Seite eingegange­n wird, zeigt sich für Schönebeck auch daran, dass das Konzert ab 15 Uhr, kurz vor dem am Sonntagabe­nd beginnende­n Laubhütten­fest stattfinde­t. So etwas gehe mit Blick auf strenggläu­bige Juden überhaupt nicht, meint sie.

Doris Pospischil weist die Kritik von Hauck und Schönebeck zurück. „Der Vorwurf, dass wir eine Show machen, ist banal und unwürdig.“Ihr gehe es darum, mit der Veranstalt­ung einerseits an das Konzert wenige Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu erinnern, aber auch in die Zukunft zu schauen, „nicht nur mit Tränen in den Augen, sondern auch mit hoffnungsv­ollem Blick nach vorne“. Die

Charlotte Knobloch ist die Schirmherr­in

Nachkommen der überlebend­en Displaced Persons trügen zwar die Geschichte ihrer Eltern mit sich, aber für sie habe auch ein Leben ohne Krieg begonnen, sagt Pospischil. Die Kritik an dem Konzert bewertet sie als „Versuch, etwas schlechtzu­machen“. Letztendli­ch tue ja jeder das Seine: Hier das Befreiungs­konzert, dort der WolfDurmas­hkin-Wettbewerb und die Jüdisch-Deutsche Woche, die ebenfalls „sehr wertvoll und richtig“gewesen seien.

Und sie verweist auf prominente jüdische Unterstütz­ung: Schirmherr­in des Konzerts ist die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch. Der Dirigent Zubin Mehta spreche von einer „großartige­n Initiative“. Und nach Mehtas Zeitplan habe sich auch die Terminieru­ng des Konzerts kurz vor dem Laubhütten­fest gerichtet, betont Pospischil. Leider könne er jetzt aus gesundheit­lichen Gründen nicht nach St. Ottilien kommen, bedauert sie.

Bei dem Konzert am Sonntag wird nicht das gesamte Konzertpro­gramm von 1945 wiederholt. Zu hören sein werden der Triumphmar­sch und Solveigs Lied von Edvard Grieg, außerdem Lieder des israelisch­en Komponiste­n Aaron Harlap, die Symphonie Nr. 5 in B-Dur von Franz Schubert und Mozarts Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 in A-Dur.

Fotos: Conny Kurz, Julian Leitenstor­fer

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Karla Schönebeck
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Doris Pospischil

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