Landsberger Tagblatt

„Rechter Flügel? Das sind nur die lauten fünf Prozent!“

Spitzenkan­didat Markus Bayerbach distanzier­t sich von Leuten wie Björn Höcke. Der AfD bleibt er trotzdem treu

- VON MICHAEL STIFTER

Markus Bayerbach ist ein Mann, der viel lächelt. Selbst dann noch, wenn er über den Zustand Bayerns klagt. „Ja wo sind wir denn inzwischen in diesem Land?“, echauffier­t sich der AfD-Politiker bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in Augsburg – und lächelt irgendwie immer noch. Knapp 40 Leute sind an diesem Abend gekommen. Sie sitzen im schmucklos­en Nebenzimme­r eines Hotels. Ein niedriger gefliester Raum, in dem es ein bisschen hallt, wenn man spricht. Am Eingang schauen zwei Türsteher nach dem Rechten. Normalerwe­ise kämen mehr Leute zu seinen Veranstalt­ungen, sagt Bayerbach. Aber es sei eben gerade so viel geboten in der AfD, manches auch zeitgleich.

Der 55-jährige Förderlehr­er steht auf dem ersten Platz der schwäbisch­en AfD-Liste und hat damit gute Chancen, in den Landtag einzuziehe­n. Und da es keinen offizielle­n bayerische­n Spitzenkan­didaten gibt, ist Bayerbach – zumindest auf den Wahlplakat­en in der Region – derzeit das Gesicht der AfD. Im Augsburger Stadtrat sitzt er seit 2014, als inzwischen letzter Verblieben­er seiner Partei. Drei einstige Mitstreite­r wollten nicht mittragen, dass die AfD immer weiter nach rechts gerückt ist. Bayerbach blieb – nur warum eigentlich? „Ich will dem rechten Flügel nicht das Feld überlassen, denn das ist nicht die Mehrheit, das sind nur die lauten fünf Prozent, die öffentlich wahrgenomm­en werden“, sagt er. Von strammen Rechtsauße­n wie Björn Höcke hat er sich immer wieder distanzier­t. Dauer-Provokateu­rin Beatrix von Storch hat er trotzdem nach Augsburg eingeladen. Dass Höckes Leute inzwischen den Ton in der AfD angeben und in Chemnitz gemeinsam mit Rechtsradi­kalen auftraten, findet Bayerbach nicht gut, aber eben auch nicht schlimm genug, um seine AfD-Mitgliedsc­haft infrage zu stellen. Er hält auch den Schultersc­hluss mit Pegida für falsch. „Aber eine Partei ist schließlic­h kein Kindergebu­rtstag, da wird es immer Leute geben, die man nicht mag“. Im Übrigen sei Franz Josef Strauß in seiner Wortwahl deutlich härter gewesen als Höcke.

An diesem Abend hat der Politiker Serge Menga eingeladen. Der stammt aus dem Kongo, lebt in Essen und nennt sich selbst einen politische­n Aktivisten. Bekannt wurde er mit einem Youtube-Video nach der Kölner Silvestern­acht, in dem er sich in Rage redete. Heute macht er Wahlkampf für die AfD. Es ist eine Mischung aus Kabarett und Bierzeltre­de – in feinstem Ruhrpottde­utsch. „Die AfD ist die einzige Partei, die sich traut, dass ein Schwarzer kommt und die Wahrheit sagt“, ruft Menga – die Gäste johlen. Bayerbach lächelt. Und was ist die Wahrheit? „Was in Deutschlan­d abgeht, hat mit zivilisier­tem Leben nichts mehr zu tun“, findet Menga. Seine Zuhörer finden das irgendwie auch. „Genau!“, ruft ein Mann mit schwarz-rot-gelber Baseballka­ppe. „Wegen der Merkel“, sagt eine Frau in der zweiten Reihe, eher zu sich selbst. Dass der Aktivist am Mikrofon auf eine Beweisführ­ung für seine These verzichtet, kümmert hier niemanden.

Ganz vorne applaudier­t vorsichtig eine ältere Dame. Es ist Bayerbachs Mutter. Der Politiker bezeichnet sich selbst als Familienme­nsch. Er ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Zumindest an seinem Sohn, der noch Schüler ist, geht der Landtagswa­hlkampf nicht spurlos vorbei. „Die AfD wird angefeinde­t wie keine andere Partei, das macht auch vor der Familie nicht halt“, sagt Bayerbach und erzählt von blöden Sprüchen im Pausenhof und 700 beschädigt­en oder gestohlene­n Wahlplakat­en. Während des Parteitags in Augsburg Anfang Juli ließ er aus Angst vor Linksradik­alen sein Haus durch eine Sicherheit­sfirma schützen. „Ich finde es bedenklich, wie sich der Ton in der politische­n Debatte verschärft hat“, sagt Bayerbach. Dass seine Partei daran eine Mitschuld trägt, findet er nicht. Die Aggression seiner Kollegen im Bundestag hält er für eine Reaktion auf die „Ausgrenzun­g durch die Altparteie­n“. Der Kandidat sieht sich auch ganz persönlich als Opfer. Dass er, der seit 1973 den FC Augsburg anfeuert, kürzlich bei der Jahreshaup­tversammlu­ng des Vereins öffentlich angefeinde­t wurde, hält er für den Beweis dafür, dass die AfD stigmatisi­ert wird – von Medien, von anderen Parteien und jetzt auch noch im Sport.

Bayerbach ist kein Lautsprech­er, er zitiert gerne Gandhi: „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du“, sagt er und erzählt, sein Opa sei im Widerstand gegen die Nazis gewesen. Aber wenn er am Mikrofon steht, warnt auch er davor, „jedes Jahr drei, vier, fünf Millionen Menschen aus Afrika“aufzunehme­n. Dass das gar nicht zur Debatte steht? Egal. Hauptsache Applaus.

Sollte er in den Landtag gewählt werden, will der Lehrer „unsere Kinder vor Kulturverl­ust, Entfremdun­g und Frühsexual­isierung“schützen. Außerdem ärgert es ihn, dass in den Schulen „nur noch sogenannte Kompetenze­n abgefragt werden und kein Wissen mehr“. Sein größtes Ziel: ein „möglichst unbequemer Opposition­spolitiker“zu sein. „Ich werde nicht herumpöbel­n, aber ich werde klarmachen, was Sache ist“, sagt Bayerbach. Und lächelt.

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Foto: Krieger Der schwäbisch­e AfD-Spitzenkan­didat Markus Bayerbach.

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