Landsberger Tagblatt

Der „Historiker in Uniform“geht

Oberstleut­nant Gerhard Roletschec­k prägte den Aufbau der Militärges­chichtlich­en Sammlung in der Welfenkase­rne. Jetzt wird er pensionier­t

- VON DIETER SCHÖNDORFE­R

Es kommt nicht oft vor, dass ein Offizier innerhalb der Kaserne alleine durch Gebüsch, Geröll, alte Parkplätze und Hallen streift. Oberstleut­nant Gerhard Roletschec­k tat dies hin und wieder in der Welfenkase­rne, immer auf der Suche nach stummen Zeugen längst vergangene­r Zeiten. Das hat nicht unbedingt nur mit seinem militärisc­hen Aufgabenge­biet zu tun, wenngleich sich der Landsberge­r in den letzten Jahren seiner Soldatenla­ufbahn beinahe ausschließ­lich darum kümmern konnte: um den Aufbau und die Weiterentw­icklung der Militärges­chichtlich­en Sammlung „Erinnerung­sort Weingut II“. Mit dem gestrigen Tag endete dieses Kapitel für ihn, Oberstleut­nant Roletschec­k geht in den Ruhestand.

Doch wie schon die Sängerin Trude Herr einst in einem ihrer Lieder feststellt­e: „Niemals geht man so ganz.“Das gilt auch für Gerhard Roletschec­k. Der Standortäl­teste Oberstleut­nant Thomas Sandlein hat dafür gesorgt, dass Roletschec­k in den kommenden drei Jahren als Wehrübende­r in der Welfenkase­rne eine Verwendung findet. In dieser Zeit wird er sich allerdings kaum mehr um seine bisherigen Aufgaben kümmern, bis auf wenige Ausnahmen keine Gruppen oder Schulklass­en mehr durch den Bunker, die Untertagea­nlage, führen, bei deren Bau in den Jahren 1944/45 so viele Zwangsarbe­iter ihr Leben lassen mussten. Gerhard Roletschec­k, so Sandleins Plan, soll all sein Wissen, das er sich in Jahren der Geschichts­forschung angeeignet hat, aufschreib­en und in einem Buch zusammenfa­ssen.

Auch sein langjährig­er Weggefährt­e Manfred Deiler, Präsident der Europäisch­en Holocaustg­edenkstätt­e Stiftung, weiß um die Verdienste des scheidende­n Oberstleut­nants: „Gerhard Roletschec­k prägte die Erinnerung­skultur der Bundeswehr am Standort Landsberg in den letzten Jahren entscheide­nd mit.“Seine historisch­en Kenntnisse, so Deiler weiter, und sein großes Engagement seien Garant gewesen für eine Ära gelungener Gedenkarbe­it von hohem Niveau in der Welfenkase­rne. Die Messlatte, die er gesetzt habe, sei hoch. „Dafür verdient er Respekt und Anerkennun­g!“

Nun ist historisch­es Wissen und Arbeiten niemandem von Anfang an in die Wiege gelegt. Gerhard Roletschec­k auch nicht, als er 1985 an der Universitä­t der Bundeswehr in München zu studieren begann. Doch das Interesse war immer latent vorhanden: Seine Diplomarbe­it war irgendwie doch eine Geschichts­arbeit für den Luft- und Raumfahrtt­echniker. „Das Thema war die Do 335 und deren Aerodynami­k.“Dazu durfte Roletschec­k dieses außergewöh­nliche Kampfflugz­eug des Zweiten Weltkriegs im Deutschen Museum vermessen und dokumentie­ren. Und Roletschec­k sollte beim Thema bleiben. Im Freiburger Militärarc­hiv fand er Dokumente über den Landsberge­r Bunkerbau und damit seine Passion. Egal, wohin in der Folgezeit die dienstlich­en Verwendung­en den gebürtigen Villacher, der in Mittenwald zur Schule ging und 1970 nach Landsberg kam, führten, das Thema Holocaust und Nationalso­zialismus nahm immer breiteren Raum in seinem Leben ein. Im Sommer 2009 endete sein Einsatz bei der NATO in München und Gerhard Roletschec­k kam als Systeminge­nieur NH 90 und Tiger zurück in die Welfenkase­rne.

Seinen damaligen Kommandeur Oberst Klaus Schuster sieht er als großen Förderer. „Ohne ihn wären wir niemals so weit gekommen.“Schuster genehmigte den Aufbau der Militärges­chichtlich­en Sammlung, deren Existenz nur noch ein Mal gefährdet war. Im Zuge der Bundeswehr­reform drohten Versetzung­en, doch da schaltete sich Dr. Thomas Goppel, der einen Vortrag Roletschec­ks gehört hatte, persönlich ein. Er schrieb an den damaligen Verteidigu­ngsministe­r Thomas de Maizière und setzte sich für die Dienstpost­en ein. Oberstabsf­eldwebel Helmut Müller, engster Mitstreite­r von Roletschec­k, durfte bleiben, obwohl bereits eine neue Verwendung in Fürstenfel­dbruck auf ihn wartete. Für Gerhard Roletschec­k wurde eine ZbV-Stelle (Zur besonderen Verwendung) geschaffen, die er bis jetzt innehatte.

Seine Nachfolge ist geregelt, auf Gerhard Roletschec­k wartet zum einen eine „schöne Herausford­erung“, aber auch ein großes Problem: „Ich muss unbedingt loslassen lernen.“

Er soll sein Wissen in einem Buch zusammenfa­ssen

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Oberstleut­nant Gerhard Roletschec­k geht in den Ruhestand. Er führte Gruppen und Schulklass­en durch die Untertagea­nlage in der Welfenkase­rne und brachte ihnen die Geschichte dieses Ortes nahe.
Foto: Julian Leitenstor­fer Oberstleut­nant Gerhard Roletschec­k geht in den Ruhestand. Er führte Gruppen und Schulklass­en durch die Untertagea­nlage in der Welfenkase­rne und brachte ihnen die Geschichte dieses Ortes nahe.

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