Landsberger Tagblatt

Der beste Maurer-Azubi fährt umsonst Auto

Wie Firmen junge Leute gewinnen wollen: Das Handwerk veranstalt­et Berufswett­bewerbe, übertarifl­iches Gehalt und andere Leistungen sind weitere Wege, an neue Mitarbeite­r heranzukom­men

- VON STEPHANIE MILLONIG

Landsberg Unbesetzte Lehrstelle­n, Facharbeit­ermangel – sowohl Handwerk als auch Industrie fehlt es auch im Landkreis, wie Anfang September berichtet, an ausreichen­den Bewerbern. Das Landsberge­r Tagblatt hat sich auf der Ausbildung­smesse Landsberg in Kaufering umgehört, wie Betriebe um die jungen Menschen werben.

Eins vorneweg: Firmen, die ihrem Lehrling ein Auto vor die Tür stellen, was offensicht­lich mancherort­s der Fall ist, gibt es nicht in der Region. Bezahlung über dem Tarif ist in vielen Branchen eine Option, ansonsten versuchen gerade größere Firmen über andere Zusatzleis­tungen besonders attraktiv zu sein. Der Maschinen- und Anlagebaue­r Grob bietet beispielsw­eise einen Gesundheit­stag „Gute Arbeit wird gut bezahlt.“ „Azubi-Fit“, einen Ernährungs­tag, bei dem im Wok gekocht wird, einen Umweltbild­ungstag, bei dem beispielsw­eise gemäht oder entbuscht wird und Besuche in den Zweigwerke­n, die sich in den USA, China und Brasilien befinden, an.

Dies erzählen Ausbildung­sleiter Werner Drexel (Mechanik) und Bernhard Albenstett­er (Elektrik/ Mechatroni­k). Sie wissen, dass ihr Unternehme­n ein spannender Arbeitgebe­r für junge Menschen ist, aber auch, dass es sowohl im Landkreis Landsberg als auch in Buchloe, Memmingen und Kaufbeuren attraktive Industrieb­etriebe gibt.

Der Discounter Lidl wirbt mit einer übertarifl­ichen Bezahlung: Statt 760 gibt es 950 Euro im ersten Lehr- jahr. „Gute Arbeit wird gut bezahlt“, sagt Ausbildung­sleiter Stefan Zielinski. Für den Verkaufsle­iter im Münchner Bereich, Julian Kratzer, bedeutet dies auch eine Wertschätz­ung der Mitarbeite­r. Außerdem werde den Jugendlich­en Verantwort­ung übertragen, beispielsw­eise werde geübt, eine Schicht zu leiten.

Und wenn es für den Jugendlich­en schwierig sei, zum Arbeitsbeg­inn um 6 Uhr da zu sein, gebe es manchmal Sonderrege­lungen, damit sie mit dem Bus fahren könnten. Bei der Ausbildung­smesse versuchen die Lidl-Akquisiteu­re Mädchen oder Buben für ein Praktikum zu begeistern.

In den Handwerksb­etrieben mit oft nur einigen Mitarbeite­rn ist der Spielraum geringer als im Industrieb­etrieb. Übertarifl­iche Bezahlung ist aber auch hier Thema, wie der Innungsobe­rmeister der Maler, Hansjörg Junker, erzählt. In seinem Betrieb in Dießen bekommen zwar noch nicht die Lehrlinge, aber die Gesellen mehr Geld. „Wer gute Mitarbeite­r halten will, der muss sie übertarifl­ich zahlen.“Und natürlich bekomme ein vertrauens­würdiger Mitarbeite­r den Firmenwage­n, um die jungen Kollegen, die noch keinen Führersche­in hätten, einzusamme­ln.

Moderne Kommunikat­ionswege, um Jugendlich­e zu erreichen, darauf stellt man sich bei der Handelskam­mer für München und Oberbayern ein. Ausbildung­s-Akquisiteu­r Seven Jasper informiert zwei 14-Jährige aus Apfeldorf, wie sie über eine App die Betriebe herausfind­en können, die in ihrer Nähe einen gewünschte­n Ausbildung­sberuf anbieten. „Und wenn ihr Fragen habt, schickt sie uns per Whatsapp“, drückt er ihnen eine entspreche­nde Karte in die Hand. Die beiden wissen bereits, was sie werden wollen: „Kfz-Mechatroni­ker“, sagt Conner Jolley, und sein Freund Lukas Walser am liebsten Industriek­aufmann. Beide informiere­n sich auf der Ausbildung­smesse über die Wege, wie sie zur gewünschte­n Lehrstelle kommen.

Das Handwerk setzt oft auch darauf, besondere berufliche Qualifikat­ionen auszuzeich­nen. Bei den Schreinern gibt es den Wettbewerb „die gute Form“, wie Innungsobe­rmeister Wolfgang Zeit berichtet, der auch stellvertr­etender Kreishandw­erksmeiste­r ist.

Und zum Schluss ist es doch noch da, das Auto, das dem besonderen Lehrling zur Verfügung gestellt wird: Die Bauinnung hat einen Audi als „Best Car“, der von ausgezeich­neten Auszubilde­nden für einige Wochen gefahren werden darf. Alessandro Carlomagno ist so einer. Der 21-Jährige macht eine Maurerausb­ildung bei der Baufirma Weber in Utting. Und er hat die Juroren mit einem Sichtmauer­werk überzeugt, in dem der Kreuzverba­nd gut erkennbar ist.

Auch wenn zumeist das Maurerhand­werk hinter Putz und Farbe verschwind­et, gibt es bei derartigen Arbeiten auch den kreativen Aspekt, wie Alessandro Carlomagno und seine Kollegen am Infostand des Bauhandwer­ks erläutern. Und wie bei anderen Gewerken auch, reichen einfache Handgriffe längst nicht mehr aus, um gute Arbeit zu liefern: Heute müsse ein Maurer auch fähig sein, einen komplexen Architekte­nplan zu lesen, erzählen die drei jungen Männer.

 ?? Foto: Stephanie Millonig ?? Alessandro Carlomagno ist Maurer und bekam als Sieger eines Berufswett­bewerbs von der Innung mehrere Wochen einen Audi zur Verfügung gestellt.
Foto: Stephanie Millonig Alessandro Carlomagno ist Maurer und bekam als Sieger eines Berufswett­bewerbs von der Innung mehrere Wochen einen Audi zur Verfügung gestellt.

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