Inspiriert euch, Schwestern!
Frauenkarrieren und ihre Bruchstellen – „Das weibliche Prinzip“
Das weibliche Prinzip“ist ein höchst erfolgreiches Manifest der Feministin Faith Frank aus dem Jahr 1984. Darin fordert sie Frauen dazu auf, sich durch Schulterpolster und forsches Auftreten nicht der Männerwelt anzugleichen, sondern auf weibliche Art Stärke und Macht zu demonstrieren. Es machte die Autorin zur Kultfigur, zur feministischen Frontfrau, erlebte unzählige Neuauflagen, bis es dann irgendwann trotz ständiger Anpassungen doch aus der Zeit fiel.
Um dieses Buch geht es hier nicht. Sondern um den Roman der amerikanischen Autorin Meg Wolitzer, gleicher Titel, in den USA gefeiert beim Erscheinen als „Roman der Stunde“, ein Label, auf das die meisten der Schriftsteller vermutlich gerne verzichten würden. Roman der Stunde, da wird im Werbeslogan sozusagen das Verfallsdatum schon mitgeliefert. Jetzt schnell zu lesen. Wolitzers Roman aber ist weder das relevante Werk in bewegter #MeToo-Zeit noch das, was das Verlagsmarketing unterm zweiten Label verspricht: Kein „Great American Novel“, vor allem stilistisch kein überragendes Epos, sondern traditionelles Romanhandwerk mit süßem Abschluss. Was das mittlerweile zwölfte Buch der Schriftstellerin aber auf jeden Fall ist: ein Roman, den man der eigenen Tochter beim Auszug in die erste Wohnung gerne in den Koffer legen würde. Weil Wolitzer auf eine angenehm entspannte und auch sehr kluge Weise davon erzählt, wie Frauen aus unterschiedlichen Generationen sich seit 50 Jahren ihren Platz in der Welt erkämpfen. Und weil sie ihre persönliche Botschaft dabei gekonnt in diese knapp 500-seitige Geschichte verpackt: Welch wichtige Inspirationsquelle Frauen für Frauen sein können.
Und damit zurück zu Faith Frank, eine der Protagonistinnen in Wolitzers Roman, angelehnt an die berühmte Gloria Steinem. Als die einstige Lichtfigur an der Universität Ryland einen Vortrag hält, gilt sie bereits „als Figur der Vergangenheit“, aber dem Charisma der lockigen Lichtfigur in Lederstiefeln erliegen an diesem Abend auf jeden Fall zwei der Studentinnen: Greer Kadetzky und Zee Eisenstat.
Die eine, Greer, belesene Einserschülerin, schüchtern und nur deswegen am zweitklassigen Ryland gelandet, weil der bekiffte Vater es nicht geschafft hat, die Förderanträge von Yale ordentlich auszufüllen, wurde bei der ersten College-Fete gleich vom jungen Burschenschaftler fies begrapscht. Von Faith Frank erhofft sie sich nun Rat. Und erhält ihre Visitenkarte. Jahre später wird sie mit Faith zusammen in den superschicken Büros einer FrauenStiftung arbeiten, die vor allem Vorträge und Konferenzen für Mittelschichtenladys organisiert und von einem Ex-Liebhaber der Lichtgestalt finanziert wird, ein Raubtierkapitalist mit Sinn fürs Gute. Diese Konstruktion also muss wackeln, auf Twitter wird über #SandwichhäppchenFeminismus gelästert. Für Greer, die sich vom Bücherwurm zur podiumstauglichen Feministin gewandelt hat, aber wird zur Bruchstelle ein Verrat: Nicht nur der an der guten Sache – begangen vom Investor; sondern der von ihr selbst verübte an der besten Freundin Zee aus Collegezeiten. Auch die wollte für Faith arbeiten, ihre Bewerbung aber hat Greer nie weitergegeben… Ach Schwestern!
Wolitzer erzählt von den menschlichen Schwächen ihrer erfolgreichen Protagonistinnen, ohne sie zu verraten. Auch Frauen sind nur Menschen, stimmt (Der eigentliche Held des Buches ist übrigens ein Mann!). Die Jugendfreundin von Faith wäre einst bei einer illegalen Abtreibung fast gestorben. Als Senatorin macht sie sich später gegen die Legalisierung stark! „Ernsthaft, Annie?“, würde sie Faith gerne fragen. Dem Roman aber wünscht man dann doch etwas weniger Abgeklärtheit. „Das weibliche Prinzip“ist also kein Manifest. Dafür rüttelt es zu wenig auf. Wolitzer beschreibt, wie jede neue Frauengeneration doch auch wieder alte Kämpfe kämpfen muss. Deswegen aufgeben? Frauen müssen es endlich schaffen, die Regeln zu bestimmen, sagt Greer. „Schon klar, das ist keine neue Idee. Aber es ist nach wie vor richtig.“