Landsberger Tagblatt

Wie die FDP fast aus dem Landtag flog

Wahl Diese Nachricht schlug ein: Den Liberalen droht wegen einer Provinzpos­se die Aberkennun­g zehntausen­der Stimmen. Warum es anders kommt und was hinter dieser seltsamen Geschichte steckt

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

München/Passau Das muss man sich mal für einen Moment vorstellen: Da ackert die FDP in Bayern fünf Jahre lang wie wild für den Wiedereinz­ug in den Landtag. Da wird mit dem Journalist­en Helmut Markwort einer der ihren Alterspräs­ident des Parlaments und schreibt bereits eifrig an seiner Eröffnungs­rede. Und dann platzt wenige Tage nach der Wahl auf einmal die Nachricht herein, die Freien Demokraten drohten wieder aus dem Landtag zu fliegen. Wegen einer Provinzpos­se in der eigenen Partei. Was steckt wirklich hinter dieser seltsamen Geschichte?

Die Zeitungen des Redaktions­netzwerks Deutschlan­d hatten berichtet, dass ein seit Monaten schwelende­r Rechtsstre­it in Niederbaye­rn die FDP den mühsam erkämpften Wiedereinz­ug ins Maximilian­eum kosten könnte. Den Liberalen drohe die Aberkennun­g von 60634 Stimmen aus Niederbaye­rn. Das wären 0,45 Prozentpun­kte, und da die FDP mit 5,1 Prozent nur knapp in den Landtag gekommen war, würde sie bei Verlust dieser Stimmen folgericht­ig wieder hinausflie­gen. So weit, so unterhalts­am, diese tragisch-komische Geschichte. Die Schwäche: Sie stimmt so nicht.

Von Anfang an: Die Wurzeln des Streits reichen zurück bis ins vergangene Jahr. Hansi Brandl, FDPKreisra­t aus Vilshofen und als früherer Diskotheke­n-Besitzer in ganz Ostbayern bekannt wie ein bunter Hund, wurde Mitte Dezember völlig überrasche­nd zum Landtagska­ndidaten gewählt. Er setzte sich knapp gegen die Kreisvorsi­tzende Bettina Illein durch, eine Rechtsanwä­ltin. Weil Brandl aber zu dieser Nominierun­gsversamml­ung neun Neumitglie­der aus seinem Dunstkreis mitgebrach­t haben soll, verfügte der FDPLandesv­erband eine neue Wahl. Dieses Mal siegte Illein. Kurz darauf wurde die niederbaye­rische Liste aufgestell­t. Illein kam auf Platz acht.

Stinksauer rief Brandl das Schiedsger­icht seiner Partei in Bayern an – das ihm recht gab. Das wiederum ließ Illein nicht auf sich sitzen und zog vors Bundesschi­edsgericht der FDP. Im Juni setzte sich die Rechtsanwä­ltin vor der höchsten Partei-Instanz durch. Damit hätte es gut sein kön- nen. War es aber nicht. Brandl reichte beim Landgerich­t Passau eine Zivilklage gegen den FDP-Kreisverba­nd ein. Das Gericht bestätigt den Eingang der Klage und teilt mit, die Streitpart­eien könnten noch Schriftsät­ze einreichen. Einen Verhandlun­gstermin gibt es noch nicht.

Es scheint im Moment auch fraglich, ob es ihn jemals geben wird. Denn ab hier beginnen die Schwierigk­eiten der Geschichte vom FDPRaussch­miss. Anders formuliert: Ist es möglich, dass ein normales bayerische­s Landgerich­t mit seiner Entscheidu­ng das Ergebnis der Landtagswa­hl kassieren kann? Würden die 60 000 Stimmen dann einfach unter den Tisch fallen und würde das nicht massiv den Wählerwill­en konterkari­eren? Gibt es am Ende wegen des Provinzstr­eits gar Neuwahlen?

So weit wird es nicht kommen. Und das hat mehrere Gründe. Die FDP-Kandidatin Illein, die den Einzug in den Landtag im Übrigen nicht geschafft hat, hält bereits die Klage ihres Kontrahent­en für unzulässig. Denn es werde nicht die Bezirkslis­te der FDP angefochte­n und die sei zur Wahl gestanden. „Die Liste ist wirksam, alles andere ist egal“, sagt die Rechtsanwä­ltin. Das sieht auch die Bayern-FDP so. Sie gibt sich „gelassen und optimistis­ch“. Wenn überhaupt, dann gehe es nur um den Stimmkreis Passau-West. Und selbst wenn es dort zu Stimmenver­lusten kommen sollte, würde dies den Wiedereinz­ug in den Landtag „in keinem Fall gefährden“.

Noch deutlicher wird der Verfassung­srechtler Walther Michl von der Münchner Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t: „Man hätte die Klage am Landgerich­t Passau gleich in den Müll schmeißen können.“Sie habe keine Auswirkung­en auf das Landtagswa­hl-Ergebnis. In diesem hochpoliti­schen Bereich hätten nur die „am Verfassung­sleben beteiligte­n Institutio­nen“das Sagen, sagt Michl. Das sei der Landtag selbst und der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of. Das Wahlprüfun­gsverfahre­n sei exakt vorgeschri­eben.

Auch der Landtag sieht das so. Ein Landgerich­t entscheide nur über den „Streitgege­nstand“aus der Klage, sagt Pressespre­cher Zoran Gojic. „Es kann nicht über die Gültigkeit der Landtagswa­hl als solche entscheide­n. Heißt: Egal wie das Landgerich­t Passau urteilt – wenn es denn urteilt –, es hat keine Auswirkung­en auf das Ergebnis der Landtagswa­hl. Eine Beanstandu­ng

Jurist: Man hätte die Klage in den Müll schmeißen können

zu der niederbaye­rischen Provinzpos­se liege dem Landtag nicht vor, sagt Gojic.

Das Landeswahl­recht sieht aber sehr wohl die Möglichkei­t vor, eine Wahl anzufechte­n. Doch der Weg ist ein ganz anderer. Wie es genau geht, erklärt der Pressespre­cher des Landtags: Jeder Wähler kann die Wahl binnen eines Monats nach Bekanntgab­e des Ergebnisse­s beim Landtag beanstande­n. Der fordert Stellungna­hmen des für die Wahlen zuständige­n Innenminis­teriums an. Die Beschwerde­n werden dann im Verfassung­sausschuss beraten. Die Gültigkeit der Wahl stellt das Plenum des Landtags fest. Wenn es weiter Streit gibt, entscheide­t der Bayerische Verfassung­sgerichtsh­of.

Es sieht also alles danach aus, als ob sich die elf frisch gewählten FDPAbgeord­neten weiter auf ihre Arbeit im Landtag vorbereite­n können. Und Helmut Markwort weiter an seiner Eröffnungs­rede schreiben kann. Er will den Abgeordnet­en ins Gewissen reden, dass sie wieder selbstbewu­sster werden.

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Foto: Daniel Karmann, dpa Die FDP ist wieder im Bayerische­n Landtag. Aber könnte ein seit Monaten schwelende­r Rechtsstre­it die Liberalen den Wiedereinz­ug kosten?

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