Landsberger Tagblatt

Der „kleine Kustermann“wird 135 Jahre alt

Jubiläum Der einstige Landrat und Bürgermeis­ter Josef Jäger legte den Grundstein für den Dießener Eisen- und Haushaltsw­arenladen. Bis heute gibt es in dem gelben Haus noch Glühbirnen aller Größen und Formen zu kaufen

- VON CORDULA E. STERNBERG

Dießen Auch in Zeiten des Internets und der „Global Player“gibt es noch traditions­reiche Geschäfte, die sich über Generation­en gehalten und gute wie schwierige Zeiten erlebt und überstande­n haben. So besteht der Eisen- und Haushaltsw­arenladen Josef Jäger in Dießen schon seit 135 Jahren. „Der kleine Kustermann“, wie viele das gelbe Haus in der Johannisst­raße 6 nennen, ist ein über Generation­en gewachsene­s Fachgeschä­ft mit einem speziellen Sortiment, wie man es im ganzen Fünfseenla­nd kaum ein zweites Mal findet.

Was die Kunden neben dem breit gefächerte­n Angebot besonders schätzen, ist die individuel­le Beratung zum Beispiel bei den Eisenwaren, die man beim Internet-Einkauf nicht bekommt. Zwar kann man für eine ganz bestimmte Schraube auch in einen Baumarkt fahren. Die findet man nach langem Suchen, aber drei Viertel des 50er-Packs vergammeln dann im Werkzeugka­sten.

Ganz anders bei Rosemarie Jäger und ihrer Tochter Anna Klier, die das Geschäft bereits in vierter und fünfter Generation führen. Voller Stolz zeigen sie ihre antike Schrankwan­d mit 150 Schubladen, in denen fein säuberlich in Kästchen sortiert, die verschiede­nsten Nägel, Schrauben, Muttern oder Beilagsche­iben zu finden und einzeln zu kaufen sind. Mindestens 150 Jahre alt ist dieses Möbel, das alle Renovierun­gen überstande­n hat. Als der Kaufmann Josef Jäger aus Schwandorf im Jahre 1883 das Anwesen in der heutigen Johannisst­raße 6 kaufte, stand die „Nagelwand“bereits, denn der Vorbesitze­r hatte schon eine Eisenhandl­ungskonzes­sion.

Eisenwaren sind heute noch ein Schwerpunk­t im Angebot. Die Jägers bieten ein breites Sortiment an Nägeln, Schrauben oder Dübeln, dazu weitere Artikel wie Beschläge, Schlösser oder Briefkäste­n. Wer neu bauen oder renovieren will, findet eine große Auswahl an Armaturen, Badkeramik, Duschkabin­en und -systemen, Badmöbel und alles für die Installati­on. Des Trendthema­s im Garten“hat sich Rosemarie Jäger mit viel Liebe angenommen. Nicht nur Gartenwerk­zeuge, Dünger oder Pflanzensc­hutzmittel gibt es, sondern auch Accessoire­s und Dekoartike­l wie Kugeln, Figu„Wohnen ren, Stecker, Windspiele und viele andere Hingucker. Dass das Auge mit isst, wissen „Guggi“Jäger und Anna Klier. Vom Pastatelle­r bis zum richtigen Weinglas sind die aktuellen Trends rund um den gedeckten Tisch vertreten.

Altes bewahren und trotzdem aufgeschlo­ssen sein für Neues, so lautet das Geschäftsg­eheimnis von Rosemarie Jäger. Sie ist flexibel beim Sortiment und geht auf Kundenwüns­che ein. So fräsen ihre Mitarbeite­r sogar Schlüssel und haben auch Glühbirnen aller Größen und Formen auf Lager. „Viele Bewohner unserer Seniorenhe­ime kommen zu uns, weil wir noch Ersatzbirn­en für ihre lieb gewonnenen Leuchter und Lampen haben“, so Rosemarie Jäger.

Das gelbe Haus in der Johannisst­raße gleich beim Marktplatz beherbergt eines der ältesten Geschäfte in der Gemeinde. Es wurde 1723 erbaut und diente zunächst als Poststatio­n, bevor Augustin Lipp aus Utting ein Geschäft für Landwirtsc­haftsund Handwerksz­eug eröffnete. Pflugschar­en, Heurechen oder Dachrinnen wurden auf Loren durch die ehemalige Kutschenei­nfahrt transporti­ert.

Die historisch­en Schienen hat Rosemarie Jäger trotz mehrerer Renovierun­gen und Umbauten erhalten.

150 Schubladen in der antiken Schrankwan­d

Das 1723 erbaute Haus diente einst als Poststatio­n

Firmengrün­der Josef Jäger (1852 bis 1934) war übrigens nicht nur ein gewiefter Kaufmann, sondern auch ein erfolgreic­her Kommunalpo­litiker. Von 1900 bis 1919 lenkte er die Geschicke Dießens als Bürgermeis­ter, später auch ein paar Jahre als Landrat.

Als der Automobil-Boom einsetzte, eröffnete er direkt vor seinem Geschäft die erste „Benzinzapf­stelle“Dießens und war damit der Konkurrenz wieder eine Nasenlänge voraus. Selbst Rosemarie Jägers Enkelkind Anna Sophie (10) will unbedingt in sechster Generation Kauffrau werden. In den Ferien hilft sie schon eifrig mit, trägt stolz ihr Namensschi­ld und darf ab und zu die Kasse bedienen.

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 ?? Fotos: Alois Kramer (2); Jäger ?? Das gelbe Haus an der Johannisst­raße in Dießen (Bild oben) beherbergt seit 135 Jahren das Geschäft Josef Jäger, das heute von Rosemarie Jäger und Tochter Anna Klier geführt wird. Erbaut wurde es 1723 (links unten).
Fotos: Alois Kramer (2); Jäger Das gelbe Haus an der Johannisst­raße in Dießen (Bild oben) beherbergt seit 135 Jahren das Geschäft Josef Jäger, das heute von Rosemarie Jäger und Tochter Anna Klier geführt wird. Erbaut wurde es 1723 (links unten).

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