Pleite für Polen
Urteil Verstoß gegen Grundrechte: Entlassene Richter müssen wieder eingestellt werden
Luxemburg/Warschau Polen muss die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern mit sofortiger Wirkung stoppen. Eine entsprechende einstweilige Anordnung erließ am Freitag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Die Entscheidung gilt sogar rückwirkend. Das bedeutet, dass bereits betroffenen Richtern mindestens bis zum abschließenden EuGH-Urteil eine Fortsetzung ihrer Arbeit ermöglicht werden muss. Auch Nachbesetzungen dürften nicht mehr erfolgen.
EuGH-Vizepräsidentin Rosario Silva de Lapuerta begründete die Entscheidung damit, dass die neuen polnischen Regelungen theoretisch „das Grundrecht auf Zugang zu einem unabhängigen Gericht in nicht wiedergutzumachender Weise beschädigen“könnten. Deswegen müssten sie bis zu dem Urteil in dem Fall ausgesetzt werden. Die einstweilige Anordnung hatte Anfang des Monats die EU-Kommission beantragt. Die für die Verfolgung von Verstößen gegen EU-Recht zuständige Behörde ist der Ansicht, dass mit den Zwangspensionierungen gegen den Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit verstoßen wird. Es werde insbesondere auch das Prinzip der Unabsetzbarkeit von Richtern untergraben.
Für die polnische Regierung gilt die Anordnung des EuGH als schwere Schlappe. Sie argumentiert, dass ihre umstrittenen Justizreformen nicht gegen EU-Recht verstoßen. Regierungschef Mateusz Morawiecki kündigte eine genaue Analyse der Gerichtsentscheidung an. Die Mehrheit der Polen stehe hinter dem Umbau der Justiz, verteidigte er die Gesetze der nationalkonservativen Regierungspartei PiS.
Im konkreten Fall geht es um ein Gesetz zum Obersten Gericht. Mit ihm wird das Pensionsalter für Richter von 70 auf 65 Jahre herabgesetzt. Dies nutzte die politische Führung seit Anfang Juli dazu, mehr als 20 Richter in den Ruhestand zu schicken. Darunter ist auch die erste Präsidentin des Gerichts, Malgorzata Gersdorf.