Landsberger Tagblatt

Wer sind eigentlich die Freien Wähler?

Politik Die Aiwanger-Partei könnte demnächst in Bayern mitregiere­n. Doch im Landkreis treten ihre Vertreter bislang eher unscheinba­r auf

- VON GERALD MODLINGER

Landkreis Die Partei der Freien Wähler scheint auf dem Weg in die Staatsregi­erung zu sein. Im Schatten des Grünen Wahlerfolg­s konnte auch die Aiwanger-Partei mit 11,6 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis bei einer Landtagswa­hl verbuchen. Jetzt laufen die Koalitions­verhandlun­gen mit der CSU. Auch im Landkreis ging es nach oben, von 5,4 Prozent vor fünf Jahren auf jetzt 8,9 Prozent. Doch wer sind die Freien Wähler im Landkreis eigentlich?

Einerseits sind sie eine Partei, anderersei­ts eine Wählergeme­inschaft auf Gemeinde- und Kreisebene. Deshalb haben die Freien Wähler im Landkreis auch zwei Chefs. An der Spitze der Partei („Kreisverei­nigung“) steht Renate Wengenmaie­r aus Landsberg. Die „Kreisgrupp­e“der auf Gemeindeeb­ene tätigen Freien Wähler leitet der Iglinger Bürgermeis­ter Günter Först.

Für Schlagzeil­en sorgen die Freien Wähler eher selten. Eine Ausnahme machte der Fuchstaler Bürgermeis­ter Erwin Karg, als er 2017 aus der Partei austrat und den Vorsitz des Kreisverba­nds abgab – aus Protest gegen die von den Freien Wählern durchgeset­zte Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e.

Dass ausgerechn­et in Fuchstal die Freien Wähler mit mehr als 13 Prozent der Stimmen eines ihrer besten Ergebnisse im Landkreis eingefahre­n haben, erklärt Karg genau mit diesem Thema. Denn nach der Abschaffun­g der Ausbaubeit­räge soll es nach dem Willen der Freien Wähler auch den Erschließu­ngsbeiträg­en für schon lange begonnene, aber bislang noch nicht abgeschlos­sene erstmalige Straßenbau­ten an den Kragen gehen. Und da seien in seiner Gemeinde elf Straßen betroffen, sagt Karg. „Das sind elf mal etwa 20 Anlieger, und die Leute haben Bescheid gewusst, wenn die Freien Wähler mit der CSU in eine Koaliti- on gehen, müssen sie diese Straßen eventuell nicht mehr bezahlen.“

Aus einer möglichen künftigen Regierungs­partei ausgetrete­n zu sein, bereut Karg nicht: „Ich bin zwar noch im Kreistag, aber allem, was mit Politik zu tun hat, habe ich den Rücken gekehrt, da ich festgestel­lt habe, dass nirgends so viel gelogen wird wie in der Politik.“Die Partei leitet im Landkreis inzwischen Renate Wengenmaie­r. Es sei eine kleine Gruppe von Mitglieder­n, erzählt sie, „gute zwei Hände voll“. Eher wenig für eine Partei, bei der mehr als 6000 Menschen im Landkreis ihre Kreuze machten. „Ich glaube, es ist den meisten Leuten nicht bewusst, dass es uns als Wählergeme­inschaft und als Partei gibt“, erklärt sich Wengenmaie­r die eher schmale Mitglieder­basis.

Etwas größer kommen die Freien Wähler auf der kommunalen Ebene heraus. Sie stellen sechs Kreisräte, unter denen sich vier Bürgermeis­ter befinden. Doch bei denen zeigt sich, dass Freie Wähler nicht gleich Freie Wähler sind: Herbert Kirsch ist als Dießener Bürgermeis­ter kein Freier Wähler, sondern ein „Dießener Bürger“, deren Verhältnis zu den Dießener Freien Wählern nicht immer ungetrübt ist. Der Penzinger Bürgermeis­ter Johannes Erhard vertritt in seiner Gemeinde die Dorfgemein­schaft Penzing. Zu den Freien Wählern im Kreis sei er halt gekommen, weil er als parteifrei­er Bürgermeis­ter für den Kreistag kandidiere­n wollte, sagt er.

Auch viele Gruppen, die auf Ge- meindeeben­e als Freie Wähler auftreten, seien nicht zwangsläuf­ig im Kreisverba­nd vertreten, erklärt Renate Wengenmaie­r, „das ist ziemlich komplizier­t“. Relativ gut etabliert sind die Freien Wähler in Dießen, Obermeitin­gen und Scheuring (jeweils fünf Gemeinderä­te), Schondorf (drei) und Windach (vier plus Bürgermeis­ter). In Kaufering kamen 2014 zwei Vertreter der Freien Wähler in den Gemeindera­t, sie haben aber inzwischen die Wählergrup­pe verlassen. In Fuchstal firmieren 13 von 16 Gemeinderä­ten als Freie Wähler – sie sind jedoch Vertreter der Ortsteilli­sten aus Asch, Leeder und Seestall. In Landsberg gibt es zwar einen Ortsverban­d, doch dieser stellte 2008 und 2014 keine eigene Liste mehr auf.

Dass die Freie-Wähler-Partei im Landkreis so unscheinba­r ist, werde sich nun aber ändern, denkt Renate Wengenmaie­r: „Ich habe schon mit Interessen­ten gesprochen, wir werden Zulauf bekommen, wir schauen positiv in die Zukunft“, berichtet die 50-jährige Angestellt­e, die beim Staatliche­n Bauamt in Landsberg beschäftig­t ist. Warum die Freien Wähler jetzt bei der Landtagswa­hl groß rauskamen, liegt für Wengenmaie­r auf der Hand: „Die Leute fühlen sich bei uns besser aufgehoben als bei der CSU.“Die Abschaffun­g der Straßenaus­baubeiträg­e und der Studiengeb­ühren und die Wiedereinf­ührung des G9 hätten die Freien Wähler angeleiert. Ihre Partei stehe auch für kostenfrei­e Kindertage­sstätten und kostenfrei­en Personenna­hverkehr für Schüler, Studenten und Auszubilde­nde. Man wolle etwas für die Mitte der Gesellscha­ft tun. Erwin Karg teilt diese Zuversicht nicht so ganz: „Die FDP hat bis 2013 auch mit der CSU regiert, und wir wissen, was danach passiert ist.“Die FDP flog nach der Koalition aus dem Landtag und die CSU regierte die nächsten fünf Jahre wieder allein.

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E. Karg
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R. Wengenmaie­r

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