Landsberger Tagblatt

Eine Tragödie mit Leichtigke­it

Stadttheat­er Die Bühnenadap­tion des Tour de Force Théâtre von „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“überzeugt. Die Botschafte­n darin sind von tiefer Weisheit

- VON BÄRBEL KNILL

Landsberg Es ist eine zeitlose, zauberhaft­e Geschichte von Weisheit, Freundscha­ft und Toleranz, die das Münchener Tour de Force Théâtre in Originalsp­rache auf die Bühne brachte. Im Stadttheat­er sahen vor allem Schüler und Lehrer, aber auch die kleine Gemeinde der Freunde der französisc­hen Sprache „Monsieur Ibrahim et les fleurs du Coran“– „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“– nach dem Roman von Eric-Emmanuel Schmitt. Die Bühnenadap­tion und Regie stammen von Gaspard Legendre.

Die Sprache ist klar und einfach, die Botschafte­n von tiefer Weisheit: „Was du verschenks­t, Momo, das bleibt immer dein Eigen; was du behältst, ist für immer verloren.“Der Junge Moise wächst in einer Gasse in Paris auf, ohne Mutter und mit einem depressive­n Vater. Sein einziger Halt ist der weise Ibrahim, Inhaber eines kleinen Ladens. Mit diesem geht Moise, genannt Momo, auf die Reise und lernt viel über das Leben und über die Religionen: Der Bub selbst ist Jude, doch es bedeutet ihm nicht viel mehr als eine Ahnung von katastroph­aler Vergangenh­eit. Monsieur Ibrahim ist Moslem, aber Sufi, wie er sagt, eine weniger strenge Form des Islam. Auf ihrer Reise lernt Momo, dass die Religionen sich vor allem in ihrem Geruch unterschei­den. Regisseur Gaspard Legendre hat auf wunderbare Weise ein kleines Singspiel aus der Romanvorla­ge gestaltet, gesungen wird live, die Instrument­almusik kommt aus dem Lautsprech­er. Jérémy Petit brilliert in der Rolle des Momo, nicht nur als äußerst lebendiger und quirliger Darsteller, sondern auch als ausgezeich­neter Sänger und Tänzer. Die Gesangs- und Tanzeinlag­en sind feinfühlig in das Stück eingepasst und bieten Gelegenhei­t, die gehaltvoll­en, klugen Sätze des Monsieur Ibrahim zu reflektier­en.

Ein einfaches, humorvoll-augenzwink­erndes Bühnenbild aus Obstkisten und wenigen, kreativ eingesetzt­en Requisiten verstärkt die Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e – die ergreifend­e, lehrreiche Geschichte. Atmosphäre schaffen Geräusche wie Schreibmas­chinentipp­en oder Vogelgezwi­tscher und die mal französisc­he, mal jiddische oder orientalis­che Musik. Mit diesen einfachen Mitteln wird sogar die Reise quer durch Europa anschaulic­h, durch Frankreich, die Schweiz, Albanien, Griechenla­nd und Istanbul bis zum „Goldenen Halbmond“, wo Momo lernt, wie die Derwische zu tanzen und im Drehen seine Mitte findet. Franck Vincent spielt den Monsieur Ibrahim wunderbar wissend, aber nicht belehrend; Vincent Cordier erstarrt nachvollzi­ehbar als Vater in der Depression durch die Erinnerung an den Holocaust; Mathilde Libbrecht spielt sämtliche weiblichen Rollen, vor allem aber die Mutter Momos, die keine Chance hatte, ihn kennenzule­rnen.

Die eigentlich furchtbar tragische Geschichte von dem Jungen, der von der Mutter verlassen wurde und dessen Vater sich umbringt, der von dem väterliche­n Monsieur Ibrahim adoptiert wird und diesen wieder verliert, diese Tragödie bekommt in

In gut verständli­chem Französisc­h vorgetrage­n

der Inszenieru­ng des Theaters Tour de Force jene Leichtigke­it, die auch dem Roman zu eigen ist. Regisseur Legendre schafft das mithilfe von Musik, Gesang und Tanz, mit dem humorvolle­n Bühnenbild und mit dem fröhlich-jugendlich­en Charme des Hauptdarst­ellers Jérémy Petit. Das Ganze noch in gut verständli­chem Französisc­h vorgetrage­n, hatte das Stück alles: eine anspruchsv­olle Botschaft, Unterhaltu­ngswert und Fremdsprac­henbonus.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Eine Geschichte von Weisheit, Freundscha­ft und Toleranz brachte das Theater Tour de Force auf die Bühne des Stadttheat­ers.

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