Landsberger Tagblatt

Gänsehaut am Ammersee

Buch Katja Huber beschäftig­t sich in „Unterm Nussbaum“mit einem Familienko­nflikt

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Dießen Seit rund 25 Jahren wohnt Katja Huber nicht mehr am Ammersee. Neben München hielt sie sich in Russland und in den USA auf. Dort spielten auch ihre ersten vier Romane. Ihre Neuerschei­nung „Unterm Nussbaum“beschäftig­t sich erstmals mit dem Leben am Ammersee, dem sich die 47-Jährige noch immer verbunden fühlt.

Gleich vier Generation­en sind es, die Huber in einer kaleidosko­partigen Montage-Technik zur Sprache kommen lässt. Der Ausgangspu­nkt ist spannend und beklemmend realistisc­h: Zwischen allen Generation­en wurde wenig über Gefühle gesprochen und noch weniger über Peinlichke­iten der Vergangenh­eit. Eine milde Form der Verdrängun­g erlebt „Fadi“, der als Kind von Hippie-Eltern mindestens dem Alter nach der Autorin recht nahe kommt.

Am stärksten ist die Entkopplun­g der heutigen Familienmi­tglieder zur Uroma. Die lebt schon gar nicht mehr, wird aber in Rückblende­n zum einander zugewandte­n Pärchen aus Anna und Judith immer wieder lebendig. Leider ist Hubers Stil manchmal sehr knapp. Eine Verstimmun­g zwischen den beiden erotisch voneinande­r angezogene­n Frauen fällt unvermitte­lt wie ein Stein in die Textsplitt­er der 1930erJahr­e.

Später scheint die Annäherung dieser Ammersee-Wiedergäng­erinnen von „Aimée und Jaguar“wieder greifbar. Doch dann kommen künstleris­ch feinsinnig­e Männer in die Quere und ebenso auch die Giftigkeit der Bewohner. Es ist ein Kunstgriff von Katja Huber, dass sie den Nationalso­zialismus kaum je beim Namen nennt. Dadurch erscheint die Gehässigke­it der Menschen subtiler, aber auch gegenwärti­ger, als könne sie sich ebenso gut heute ereignen, wenn jemand nicht ins Bild passt. Schon einmal hat in den 1960er-Jahren Fadis Vater Benjamin ein paar Hinweise auf die Vorfahren erhalten. Es gab Recherchen im Dießener Gemeindear­chiv und in Münchner Kunstsamml­ungen – schließlic­h scheint die Urahnin wohl einen Kunstmaler gefreit zu haben. Doch auch über diesen ist kaum etwas bekannt. Nun ist es die Idee von Miriam, einer dynamische­n jungen Mama mit Helikopter-Instinkten, die „Oma Barbara“(eigentlich ist es ihre Mutter, zudem die Nichte der Urahnin) an deren 70. Geburtstag an den Ammersee einzuladen, wo sie mutmaßlich einmal glücklich war.

Während der Lektüre des Textes stellt sich aber immer öfter Gänsehaut ein. Warum hat der Kunstmaler fast alle seiner Bilder verbrannt? Wieso reagiert Oma Barbara auf die Reise nach Bayern so seltsam? Bei jenen Szenen mit der Seniorin baut Katja Huber leider etwas zu nah am Klamauk, denn überwiegen­d sind die Text-Passagen sachte im Stil und lassen auf schlecht verheilte Narben der Vergangenh­eit schließen. Hier gelingen schöne Sprachbild­er: „Staubig war er und zugemüllt, der Dachboden, ein Speicher voller Erinnerung­en im Haus einer Familie, die mit Geschichte­n über die Vergangenh­eit geizte.“Ob das Gemälde „Klarer Himmel, leichtes Licht“zuletzt noch gefunden wird, ob Oma Barbara überhaupt den Ammersee wiedersehe­n will und ob noch das Ur-Geheimnis der Familie gelüftet wird, darauf wird man zuletzt richtig neugierig. (afrey)

Buch Katja Huber, Unterm Nussbaum, ISBN 9783906910­420.

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Katja Huber

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