„Man muss für den Beruf brennen“
Personalmangel, Zeitdruck und ein niedriges Gehalt: Vorbehalte gegen Pflegeberufe sind noch immer groß. Eine Auszubildende berichtet, warum sie sich dennoch für den anspruchsvollen Beruf entschieden hat
waschen. Sie greift ihn an seinem Arm und stemmt sich mit ihrem eigenen Gewicht dagegen. „Für Außenstehende wirkt das vielleicht etwas rau, aber man muss bestimmt und zielgerichtet arbeiten“, sagt sie. Jetzt fehlt nur noch ein neues T-Shirt. „So, immer daran denken, dass sie, so gut es geht, mithelfen. Wir wollen ja ihre Ressourcen nutzen, die sie noch haben.“
Ob die Wiedereinführung der Wehrpflicht wie auch ein verpflichtendes soziales Jahr die Situation Hilfsbedürftiger verändern würde? Lena Kugelmann hält von einer Verpflichtung für den Pflegeberuf nicht viel: „Man muss für den Beruf brennen, anders geht es nicht.“Ihr Feuer wurde schon in ihrer Kindheit entfacht. Mit alten Menschen könne sie eben gut umgehen. In der Schule sei der Entschluss dann endgültig für einen Beruf in der Pflege gefallen.
Nun, nach einem Jahr Krankenhauserfahrung, sagt sie offen: „Es gibt einen Pflegenotstand, ja, um diese Erkenntnis als Azubi herumzukommen, ist eigentlich unmöglich. Vor allem medial ploppt das Thema ja immer wieder auf.“Für sie persönlich überwiegen jedoch die positiven Seiten ihres Berufs, betont sie.
Dass sich der Nachwuchs trotz negativer Schlagzeilen nicht vom Beruf abschrecken lässt, zeigt eine Erhebung des Statistischen Bundesamts: In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Anfänger fast verdoppelt und liegt aktuell bei 63000. Hauptsächlich Frauen erlernen nach wie vor einen Pflegeberuf. Nur 22 Prozent der neuen Auszubildenden sind männlich.
Geht es nach dem Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, wird sich die Ausbildung in den kommenden Jahren verändern (siehe Infokasten). Vorgesehen ist unter anderem, dass sich die Auszubildenden erst im dritten Ausbildungsjahr entscheiden, ob sie die allgemeine Ausbildung fortsetzen oder sich auf die Pflege von Kindern oder alten Menschen spezialisieren. „Der steigende Arbeitsaufwand lastet auf immer weniger Schultern“, sagt er. „Das Ganze ist ein Teufelskreis und am Ende geht es natürlich zulasten der Pflegebedürftigen.“
Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verkündete Anhebung des Pflegebeitrags soll das drei Milliarden Euro große Defizit in der Pflege abfedern. Kritiker werfen Spahn vor, dass dieser Schritt bei weitem nicht zukunftssicher ist. Spahns Rezept: Ab Januar schon sollen in den kommenden Jahren 13000 Pflegekräfte in der stationären Altenpflege neu eingestellt werden. Das Geld für das Personal soll von der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Pflegeversicherung kommen. Auf diese Weise sollen zur Finanzierung der zusätzlichen Stellen die Pflegebedürftigen nicht belastet werden.
Wie sich die Situation weiterentwickeln wird, ist offen. Lena Kugelmann will sich nach ihrer Ausbildung spezialisieren. „Eventuell hänge ich ein duales Studium der Interprofessionellen Gesundheitsversorgung an“, sagt sie und blickt auf ihre Uhr. Fast eine Dreiviertelstunde ist verstrichen, Zeit, sich um den nächsten Patienten zu kümmern. Das Kopfteil von Ernsts Bett stellt sich nach oben, Sitzbett in der Fachsprache, damit er aufrecht sitzt „und auch etwas mitbekommt von dem, was hier so passiert“, sagt die 19-Jährige.
Das Frühstück zusammen mit anderen Patienten im Speisesaal wird er wegen seiner Bettlägerigkeit verpassen. Doch zwei Stunden später wird er wieder von Lena Kugelmann Besuch bekommen. Dann werden Vitalwerte wie der Blutdruck und Puls gemessen. Während in einem Nebenzimmer ein Patient läutet, desinfiziert sich die Pflegeschülerin die Hände, verabschiedet sich und läuft schnurstracks ins Nebenzimmer. Der nächste Patient wartet.