Landsberger Tagblatt

An die Tatnacht erinnert er sich nicht mehr Prozess

Ein 21-Jähriger tickt in einer Diskothek völlig aus. Eine Haftstrafe bleibt ihm erspart

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Kieselstei­nen, beleidigte die Wachleute, schlug einen Security-Mann ins Gesicht und beleidigte auch die Polizisten, wie es vor Gericht hieß. Laut damaligem Polizeiber­icht täuschte der junge Mann einen Krampfanfa­ll vor und wurde deshalb vom Rettungsdi­enst in ein Krankenhau­s gebracht.

Im Klinikum ging er auf eine Ärztin und einen Pfleger los: „Auf Personen, die ihm helfen wollten“, sagte Richter Michael Eberle, den dieser „Auftritt“des Mannes maßlos ärgerte. Das Geschehen in der besagten Januarnach­t hat den Mann offenbar nicht kalt gelassen. Er hat jedenfalls allen Personen ein Entschuldi­gungsschre­iben zukommen lassen, die damals zu seinen Opfern gehörten. Mehrere von ihnen waren verletzt worden. Der Alkoholspi­egel des Mannes, der vor Kurzem eine Arbeitsste­lle gefunden hat, soll in der Tatnacht minimal 1,18 und maximal 2,13 Promille betragen haben. Was sein Gesundheit­szustand macht, wollte der Richter wissen. Er habe oft Kopfschmer­zen in der Nacht, schlafe schlecht und neige zu depressive­m Verhalten, erklärte der Angeklagte, der im April 2015 aus Afghanista­n nach Deutschlan­d geflohen war. Staatsanwä­ltin Julia Ehlert und auch der Richter bescheinig­ten ihm eine günstige Sozialprog­nose. Das Gericht verhängte eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zwei Jahre wird dem Mann ein Sozialhelf­er zur Seite gestellt. Außerdem muss er 1800 Euro in Raten an die Opferhilfe zahlen. Mit dem Strafmaß gab sich Rechtsanwa­lt Nikolaus von Lucke nicht zufrieden. Im Gegensatz zum Gericht ist er der Meinung, dass bei seinem Mandanten nicht das Erwachsene­nstrafrech­t, sondern das Jugendstra­frecht hätte angewandt werden müssen. Denn er sei zur Tatzeit im Januar 2018 mit 20 Jahren noch Heranwachs­ender gewesen. Außerdem habe er sein Geburtsdat­um beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e schon lange vor der Tatnacht mit dem 1. Februar 1997 angegeben. Bei der Verhandlun­g sei jedoch der 2. Januar 1997 zugrundege­legt worden.

Da ein amtliches Dokument als Nachweis für sein Geburtsdat­um fehle, müsse er den Beweisantr­ag des Verteidige­rs ablehnen, sagte der Richter. Wie in der Hauptverha­ndlung bekannt wurde, wurde der Asylantrag des 21-jährigen Afghanen bereits abgelehnt. Er klagt dagegen.

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