Landsberger Tagblatt

Warum Friedrich Merz der Hecht im CDU-Karpfentei­ch ist Leitartike­l

Ein Nachfolger von Parteichef­in Angela Merkel muss Lösungen für die aktuell drängendst­en Probleme anbieten und der AfD das Wasser abgraben

- VON JÜRGEN MARKS mrk@augsburger-allgemeine.de

Wenn große politische Figuren die Bühne verlassen, dann verschiebe­n sich auch die tektonisch­en Platten der Parteien. Als Helmut Kohl 1998 das Kanzleramt verlor, startete das rot-grüne Projekt mit Gerhard Schröder und Joschka Fischer. Die CDU veränderte sich unter KohlNachfo­lgerin Angela Merkel zügig, rückte in die Mitte und gewann 2005 die Macht zurück. Jetzt steht die Partei vor einem erneuten Richtungsk­ampf.

Vor dem Parteitag im Dezember sortieren sich die Lager. Auf der einen Seite werben die konservati­ven Merkel-Gegner Friedrich Merz und Jens Spahn um Unterstütz­ung. Sie stehen dafür, die CDUPlatte wieder ein Stück weit nach rechts zu verschiebe­n. Auf der anderen Seite werden sich die „Merkeliane­r“um die Saarländer­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r scharen, die eine treue Gefolgsfra­u der amtierende­n Vorsitzend­en ist.

Spätestens seit seiner offizielle­n Bewerbung ist Friedrich Merz der Hecht im CDU-Karpfentei­ch. Der 62-Jährige steht – nachdem er 2002 von Merkel entmachtet wurde und 2009 den Bundestag verließ – für Aufbruch und Erneuerung. Bei aller Wertschätz­ung für die politische Lebensleis­tung der scheidende­n Chefin ist es genau das, was sich viele CDU-Mitglieder wünschen.

Zudem verkörpert Merz die Sehnsucht des konservati­ven Parteiflüg­els nach einer Renaissanc­e der Kohl’schen CDU. Doch die Zeit, in der Hardliner wie Alfred Dregger oder Volker Rühe den Ton angaben, ist längst vorbei. Merz wird gut beraten sein, die Sehnsüchte mancher Altvordere­n in den nächsten Wochen vor dem Parteitag nur am Rande zu bedienen.

Denn will er zum CDU-Chef gewählt werden, muss er zukunftsfä­hige Lösungen für drängende Probleme anbieten. Das ist vor allem: die Integratio­n von Einwandere­rn, aber auch die Diesel-Krise.

Kanzlerin Merkel hatte mit großem Herzen mehr als eine Million Flüchtling­e aufgenomme­n, doch ihre Regierung war mit dem Management überforder­t. Ein neuer CDU-Chef (oder eine Chefin) muss daher nun eine klare Strategie für ein gedeihlich­es Zusammenle­ben von Deutschen und Zuwanderer­n entwickeln. Erfolgreic­he Integratio­n beginnt bei der Akzeptanz deutscher Grundwerte durch die Migranten und endet bei staatliche­r Förderung von Sprache, Bildung und Kultur sowie der Integratio­n ins deutsche Arbeitsleb­en.

Zu der Strategie gehört aber auch eine Politik, die abgelehnte Asylbewerb­er schneller in ihre Heimatländ­er zurückführ­t und Zuwanderer, die kriminell werden, mit der Härte unseres Rechtsstaa­tes konfrontie­rt.

In der Abgas-Problemati­k hat die Koalition von Anfang an wegen ihrer großen Nähe zur Autoindust­rie die Übersicht verloren und ließ Millionen Besitzer von Dieselauto­s mit ihrem Wertverlus­t allein. Das kann nicht so bleiben.

Beide kapitalen Schnitzer haben den Niedergang der Union beschleuni­gt und den Weg zum Aufstieg der AfD geebnet. KrampKarre­nbauer und auch Jens Spahn, die seit Jahren in der CDU Mitverantw­ortung tragen, werden es schwerer haben als Merz, einen Kurswechse­l glaubwürdi­g zu vertreten und der AfD damit das Wasser abzugraben.

Sollte der Sauerlände­r das Rennen machen, könnte Merkels Kanzlersch­aft bereits im nächsten Jahr enden. Denn Merz wird keine Zeit verlieren wollen, seine Vorstellun­gen auch in der Regierung umzusetzen. Das wird womöglich der bayerische­n CSU gefallen, die sich nach dem erwarteten Rückzug von Horst Seehofer im Dezember ebenfalls neu aufstellt. Doch Angela Merkel wird eher ihr Amt vorzeitig zur Verfügung stellen, als sich von einem Merz treiben zu lassen.

Merz wird keine Zeit verlieren wollen

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Zeichnung: Haitzinger „…da wäre ich lieber ein paar andere Typen losgeworde­n!“
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