Landsberger Tagblatt

Junge Menschen ansprechen

Erinnerung­sarbeit lebendig gestalten

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Landsberg Vor genau 80 Jahren, in der Nacht auf den 9. November 1938, brannten überall in Deutschlan­d Synagogen und Geschäftsh­äuser jüdischer Mitbürger, ohne dass die Polizei eingriff. Es war das schlimmste Pogrom auf deutschem Boden seit dem Mittelalte­r. Tausende Juden wurden misshandel­t, verhaftet oder getötet. Seit diesem Tag konnte jeder sehen, dass Antisemiti­smus und Rassismus bis hin zum Mord staatsoffi­ziell geworden waren. Die Reichsprog­romnacht markiert aus heutiger Sicht den Übergang von der Diskrimini­erung der deutschen Juden seit 1933 zu deren systematis­chen Verfolgung, die kurze Zeit später in den Holocaust mündete.

Auch in die elf Lager des KZKommando­s Kaufering wurden Juden aus ganz Europa deportiert. Nach offizielle­n Schätzunge­n wurden hier mindestens 14 500 von ihnen ermordet. Die Aufarbeitu­ng und Auseinande­rsetzung mit diesem dunklen Kapitel der Landsberge­r Geschichte ist hauptsächl­ich der vor 35 Jahren gegründete­n Bürgervere­inigung „Landsberg im 20. Jahrhunder­t“rund um den 2015 verstorben­en Vorsitzend­en und Historiker Anton Posset zu verdanken. Seit drei Jahren nun ist der erst 19-jährige Stephan Albrecht der Sprecher der Vereinigun­g. Er bemüht sich, die Erinnerung­skultur auch für junge Menschen attraktiv zu machen.

Ausländerf­eindlichke­it, Antisemiti­smus und die Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus sind im Deutschlan­d des Jahres 2018 wieder Thema. Erst kürzlich wurden im Rahmen der alle zwei Jahre durchgefüh­rten (als repräsenta­tiv geltenden) Leipziger „Autoritari­smusStudie“die alarmieren­den Ergebnisse vorgestell­t: Die offene Gesellscha­ft, in der alle die gleichen Rechte haben, wird zunehmend infrage gestellt. Rund ein Viertel aller Deutschen (Ost: 31 Prozent, West: 22 Prozent) haben eine ablehnende Haltung gegenüber Ausländern. Umso wichtiger ist es, so Stephan Albrecht, „mit Kultur zu gedenken.“

Den Anfang machten „Küspert und Kollegen“mit ihrer genialen musikalisc­hen Untermalun­g zweier Stummfilmk­lassiker (siehe Besprechun­g), am Freitag findet die offizielle Gedenkvera­nstaltung mit einem Konzert der Klezmer-Band „Massel-Tov“statt (unter Beteiligun­g einiger junger Musiker vom IKG), und abschließe­nd wird sich der deutsch-jüdisch-russische Kabarettis­t Alexej Boris am 16. November über jüdische und andere Klischees lustig machen.

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Foto: leit Das Cabinet des Dr. Caligari mit den Musikern Werner Küspert (Gitarre), Bastian Jütte (Schlagzeug), Till Martin (Saxofon) und Dietmar Fuhr (Kontrabass).

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