Die Fische drohten zu ersticken
Das Wasser des Kapellenweihers beim Waldfriedhof ging immer weiter zurück. Die Fischer setzten am Wochenende die Tiere in den tieferen Altöttinger Weiher. Dabei blieb auch einer im tiefen Schlamm stecken
extremem Wassermangel zu leiden. Gewässerwart Josef Felby zeigt auf das Ufer. Für den Laien deutlich zu erkennen hat sich das Wasser fast einen Meter zurückgezogen. GildeVorsitzender Johannes Vogel: „Wir haben von Woche zu Woche auf Regen gewartet.“Norbert Köhler, Vorstand der Stadtwerke, hatte vor Kurzem dem bestätigt: „Normalerweise fallen in Landsberg durchschnittlich 850 Millimeter Niederschlag.“Davon sei man heuer weit entfernt. Entsprechend niedrig sei der Grundwasserspiegel.
Inzwischen wird die Situation für den kleinen Weiher, der so idyllisch vor der kleinen Kapelle beim Waldfriedhof liegt und ohnehin nicht sehr tief ist, immer prekärer. Johannes Vogel: „Die Zuläufe im Westen des Weihers führen ebenfalls kein Wasser mehr.“Die Fischergilde Barbara, die noch einige weitere Gewässer wie den Altöttinger Weiher, den Wiesbach, den Hurlacher Baggersee, sogar einen in Kissing, betreut, beschloss zu handeln. Zuvor hatten des Monats Fischerkollegen in Pürgen Karpfen gerettet. Gleiches geschah in Pitzling. Johannes Vogel hatte gehofft, dass dies in Landsberg nicht nötig wird. Doch mittlerweile ist der Wasserpegel derart niedrig, dass bei eventuellem Frost den Fischen keine Chance bleibe. „Entweder sie würden im festfrieren oder ihnen geht der Sauerstoff aus.“Nach Rücksprache mit dem städtischen Ordnungsamt wurde die Aktion beschlossen. „Gerald Monschein hat sich sofort mit der Feuerwehr in Verbindung gesetzt.“Die war bereit, zu helfen, obwohl sie gegen 10 Uhr wieder zur Hochzeit eines Kameraden abrüAnfang cken musste. Einsatzleiter Christian Jungbauer trommelte sechs Freiwillige zusammen, setzte vier Spechthauser Chiemseepumpen ein, die normalerweise bei Hochwasserereignissen gebraucht werden, und zwei Stunden später war das Wasser aus dem Weiher größtenteils heraus. Johannes Vogel und seine FischerEis kollegen waren längst in die Wathosen gestiegen, deren Bund bis fast unter die Achseln reicht. Sofort versanken sie bis über die Knie im Schlamm, jede Bewegung wurde zum immensen Kraftakt. Vogel nahm’s mit Humor: „Für die Bürohengste wird es morgen einen sauberen Muskelkater geben.“
Logistisch war das Unternehmen gut geplant, tatkräftig von den Feuerwehrangehörigen unterstützt. Die selbstgewählte Aufgabe von Alica Helmberger und ihrer Kollegin Barbara Kaufmann: Sie sammelten die kleineren Fische ein und trugen sie in die Transportzuber, lernten dabei, wie man durch kleine Berührungen deren Lebensgeister wieder weckt. Alica Helmberger war begeistert: „Das hätte ich mir so nicht vorgestellt. Man bekommt ein ganz anderes Verhältnis zu den Tieren.“Im Weiher holten drei bis vier Mann die Fische raus, die anderen warteten mit wassergefüllten Wannen am Uferbereich. Sofort wurden die Fische in einen Besatzbehälter umquartiert, der auf einem Klein-Lkw stand. Damit ging’s im Minutentakt zum Altöttinger Weiher, wo die Tiere ausgesetzt wurden.
Dass das Schwerstarbeit war, bestätigte auch Barbara Felby, wie ihr Mann als Gewässerwart ausgebildet. Sie war vor allem über die Anzahl der Fische überrascht. Stattliche Gras-, Spiegel- und Schuppenkarpfen, aber auch Brachsen, Zander und Schleien zappelten in den Keschern. Dazu kamen Glasaale und ein exotischer Sonnenbarsch, der allerdings in heimischen Gewässern eigentlich nichts zu suchen hat. Barbara Felby: „Der ist wohl seinem Besitzer im Aquarium zu groß geworden und wurde kurzerhand ausgesetzt.“
Gegen elf Uhr waren alle Fische umquartiert, die Aktion ein voller Erfolg. Bereits heute wird sich der Fischergilde-Vorsitzende erneut mit der Stadt in Verbindung setzen, denn nun geht es darum, den Weiher wieder zu sanieren. Der soll laut Josef Felby den Winter über wasserlos bleiben: „Wenn er dann durchfriert, wird er gleichzeitig praktisch desinfiziert.“Auf alle Fälle muss der Schlamm ausgebaggert werden, wobei die Fischergilde Barbara laut Johannes Vogel mit ihren ehrenamtlichen Mitgliedern die Arbeit gerne übernehmen würde.
Der weltweite Klimawandel war doch bislang immer so weit weg. Es sollte sich doch besser die große Politik mit diesem Problem befassen, in Kyoto oder in Paris. Und außerdem gab es ihn doch gar nicht, versicherte einst der amerikanische Präsident Donald Trump. Inzwischen werden wir aber von der bitteren Wirklichkeit eingeholt und sind direkt von dessen Auswirkungen betroffen. Im Sommer aalten sich Sonnenanbeter auf noch nie dagewesenen Strandabschnitten des Rheins, erst in der vergangenen Woche bliebt bei Köln ein Ausflugsschiff stecken, weil es die schmale Fahrrinne, die ihm aufgrund des Wassermangels noch blieb, nicht genau traf.
Doch auch vor unserer eigenen Haustüre mehren sich die Anzeichen, dass da etwas nicht stimmt. Natürlich freut uns ein Jahrhundertsommer wie der zurückliegende, aber dass Regen und Niederschläge, normalerweise im Herbst angesagt, auch etwas Sinnvolles haben, wird uns durch zurückgehendes Grundwasser, versiegende Quellen, sinkende Pegelstände der Seen und Weiher deutlich vor Augen geführt. Die regionalen Gewässer müssen, sollten die Sommer – und auch die Winter – weiterhin so niederschlagsarm sein, einer eingehenden Kontrolle unterzogen und Maßnahmen ergriffen werden. Flache Gewässer müssten dann zum Beispiel tiefer ausgegraben werden.
Es bleibt also zu hoffen, dass angesichts der Vorgänge am Kapellenweiher und in der unmittelbaren Nachbarschaft in Igling, Erpfting, Pitzling und Pürgen die Verantwortlichen das Problem als solches erkennen, wirklich ernst nehmen und auf Vorschläge der Experten, in dem Fall der Fischer, weiter eingehen. Nicht dass die am Ende im wahrsten Sinn des Wortes tatsächlich zu „Mahnern in der Wüste“werden.