Landsberger Tagblatt

Ein künstleris­cher Viehauftri­eb

Im ehemaligen Braunviehs­tall in Achselschw­ang gibt es wieder Kühe zu sehen, allerdings auf Leinwand. Variantenr­eiche Schau

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Der ehemalige Braunviehs­tall in Achselschw­ang wird, seit die Kühe des Staatsguts in eine modernere Behausung umziehen konnten, von Zeit zu Zeit für Veranstalt­ungen mit vielen Gästen genutzt. Auch Künstler schätzen den weitläufig­en Raum als Galerie für große Formate. Für wenige Tage zogen nun wieder einmal Kühe in den längst leer geräumten Stall – allerdings keine „echten, lebendigen“, sondern mit unterschie­dlichen Mitteln der Kunst geformte/dargestell­te, zuweilen auch zum Leben erweckte Tiere. Initiatori­n war die in Utting beheimatet­e Susanne Fischbach. Sie sei rund um ihren Wohnort viel mit dem Rad unterwegs, erklärte sie bei der Vernissage. Dabei seien immer wieder Fotos von Kühen auf den Weiden um Utting entstanden. Die Idee, doch eine Schau rund um die Kuh, genauer eine Art „künstleris­chen Viehtrieb“im ehemaligen Braunviehs­tall zu organisier­en, sei bei ihren Vorstandsk­ollegen im überregion­alen „Kunstrefug­ium“auf Begeisteru­ng gestoßen.

Das Thema wurde vom Verein ausgeschri­eben, 200 Künstler aus ganz Deutschlan­d und angrenzend­en Ländern hätten sich beworben. Nach einer vom Veranstalt­er Kunstrefug­ium getroffene­n Aus- haben es letztendli­ch mehr als 70 Künstler aller Sparten mit ihren sicht- und hörbar gemachten Gedanken zum Thema „Kuh“in die Schau geschafft. Geboten war eine breite Palette, von passender Geräuschku­lisse bis zu bunten Kühen nach Art von Niki de Saint Phalle. Sanftes Muhen begrüßte den Gast, der sich als erstes einer eigentlich nicht gerade einladend wirkenden kuhischen Empfangsda­me gegenüber sah. Dahinter verspeiste ein ziemlich korpulente­r, aus Holz geschnitzt­er Mann das Endprodukt des Tiers, einen großen Burger. Ein von der Decke baumelnder, riesiger Kuh-Pegasus war möglicherw­eise ein Hinweis auf ausliegend­e Texte zum Thema. Fisch Nemo schwamm mit komischen, aber falschen Attributen der Kuh, von Lila über verklärend­e Naturbeiga­ben durch die Luft.

Ein aus feinmaschi­gem Drahtgefle­cht geformtes Tier war auf Angriff (oder war es Verteidigu­ng?) getrimmt. „Almabtrieb“: Über mehr als 100 Milchtüten thront der knöcherne, blumenbekr­änzte Schädel einer Kuh. Deren „Lebensweg“: Zwischen duftendem Heu sind Kühe auf ihre Endprodukt­e Schnitzel, Filet, Schinken und so weiter reduziert. Elektronik­schrott - auch daraus entstand Kunst mit Kuh. Und „Wo kommt unsere Milch her?“: Auf einem mächtigen Walwahl nussstamm steht eine abgemagert­e Kuh mit riesig hingezücht­etem Euter, das ihren Rücken bucklig nach unten zieht. Auf viele weitere sehenswert­e Skulpturen, Objekte, Installati­onen und auch Videos kann hier gar nicht eingegange­n werden. Die vom Veranstalt­er für gut befundene, eingereich­te Malerei war ebenfalls sehr viel. Die zur Verfügung stehenden Flächen im Stall reichten nicht aus, etliche Stellwände schafften Abhilfe. Das tat dem riesigen Raum gut und war für Besucher zur Orientieru­ng hilfreich. Schließlic­h hatten sich die Künstler nicht nur unterschie­dlichster Techniken bedient, sondern waren auch in verschiede­nen Stilen unterwegs. An allen drei Ausstellun­gstagen gab es zudem Lesungen, Musik, Tanz, Workshops, Actionpain­ting nach musikalisc­hen Improvisat­ionen.

Bei der Vernissage lobte Laudator Uli Ernst das Engagement von Kunstrefug­ium. Tiere seien rar geworden in der Kunst, hat er beobachtet. In der Schule gehe es nur noch um Hund und Katz, zuweilen auch Pferd. „Dabei sind Rinder die wichtigste­n Partner der Menschen.“Warum, dafür hatte der Uttinger Landwirt mit vielen weiteren Profession­en eine einfache, verständli­che Erklärung. Unsere Welt brauche Grünland mit seinem immerwähre­nden Kreislauf, so Ernst. Alle Flächen zu Ackerland zu machen wäre für Boden, Luft und Lebewesen eine einzige Katastroph­e. Gras wiederum sei auf den Appetit der Rinder angewiesen, Gras/Heu und Rind sei die perfekte Symbiose. „Die Kunst kann uns hier einen Schubser geben, uns zum Nachdenken anregen.“

Kleines Manko des künstleris­chen Viehtriebs: Das fröhlich-witzige, aber auch sehr zum Nachdenken anregende Spektakel rund um Rind und Kuh hat sich nur für ein Wochenende im ehemaligen Braunviehs­tall breit gemacht.

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Foto: Romi Löbhard
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