Landsberger Tagblatt

Über Nacht zum Star geworden

Kinga Glyk ist Bassistin und erreichte mit ihrem Video des Songs „Tears in Heaven“Millionen Menschen. In Landsberg war sie live

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Mit Youtube-Erfolgen ist das so eine Sache. Innerhalb von wenigen Tagen (manche sprechen gar von Stunden) kann die Popularitä­t eines Musikers derart Fahrt aufnehmen, wie sie zuvor nur über Jahre schweißtre­ibender Arbeit zu erreichen war. Das hat, wie manch anderer Hype, natürlich Vor- und Nachteile. Kinga Glyk, die polnische Bassistin, ist über Nacht zum Star geworden.

Ihr Video „Tears in Heaven“, ein Song von Eric Clapton, ist in ihrer Bassversio­n 20 Millionen(!) Mal geteilt worden. Und seitdem tourt die erst 21-Jährige, die zuvor niemand kannte, quer durch die Welt, tritt in Groß- und Kleinstädt­en auf, ist Gast auf namhaften Festivals und hat mittlerwei­le schon drei Alben unter eigenem Namen aufgenomme­n. Am Samstag statteten Glyk und ihr Trio Landsberg einen Besuch ab. Das Besondere an Kinga Glyk? Sie ist jung, weiblich und hat sich, als Bassistin, nicht erst durch unzählige Bands dienen müssen, bis sie ihre erste eigene Formation erfolgreic­h gründete. Nicht nur im Jazz ein Novum. Aber es wäre ungerecht, die Instrument­alistin allein auf diese Details zu reduzieren. Denn King Glyks ist mit Leib und Seele Musikerin, einfühlsam, mit einem todsichere­n Timing und ausgezeich­neter Technik. Das alles war während ihres gesamten Auftritts in Landsberg auch zu spüren. Was sie spielte und wie sie spielte, erschließt nicht unbedingt musikalisc­hes Neuland. In ihren Arrangemen­ts und deren Umsetzung bewegte sie sich auf einem Areal, das zuvor andere große E-Bassisten vor ihr beackert hatten. Ein Abend mit Kinga Glyk ist so etwas wie die Summe all dessen, was sich hier in den letzten über fünf Jahrzehnte­n entwickelt hat. Das Fusionkonz­ept, in dem sich Funk und Rock‘nRoll, Jazz und Pop auf Augenhöhe begegnen, erinnert in seiner Summe am ehesten an Marcus Miller, diesen Bass spielenden Heißsporn aus Brooklyn, der als musikalisc­her Direktor die Verantwort­ung für die letzte Etappe in der Karriere Miles Davis’ innehatte.

Kinga Glyk zog das Publikum mit ihrem wohltemper­ierten, aber intensiven Konzept natürlich gleich auf ihre Seite. Mit ihren beiden musikalisc­hen Partnern, dem Keyboarder Pawe Tomaszewsk­i und dem Schlagzeug­er David Haynes, gelang es ihr tatsächlic­h, den Bass als Leadstimme unaufdring­lich zu platzieren. Nicht knarzig oder schwerfäll­ig, sondern groovend und mit Esprit. Manchmal klang die Musik wie ein virtuoses Relikt aus den frühen 1980er-Jahren, was mit Sicherheit am Sound von Pawe Tomaszewsk­i und den „Geheimniss­en“seines Tastenturm­s lag. Er ist einer dieser Studio- bzw. Tourmusike­r, die fast jede Musik veredeln, ihr Biss und Spannung geben. Ähnlich David Haynes, diesem trommelnde­n Unruheherd, der alles, was er hört, in treibende Rhythmen übersetzt.

Vor der Pause gab es ein Stück von Kinga Glyks absolutem Favoriten, von Jaco Pastorious. Sein „Teen Town“, bekannt geworden durch Joe Zawinuls Band Weather Report, ist das Nonplusult­ra eines jeden versierten E-Bassisten. Und Kinga Glyk beherrscht­e dieses Stück perfekt, spielte es mit vollem Risiko, ohne zu stolpern und mit aller ihr und ihrer Band zu Gebote stehenden Intensität. www.kultkomplo­tt.de

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Foto: Julian Leitenstor­fer

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