Inklusion kostet
Die Zahl der Integrationshelfer steigt nächstes Jahr auf 46. Sie unterstützen Schüler mit Behinderungen im sozial-emotionalen Bereich in der Schule. Nicht nur Landrat Thomas Eichinger sieht die Kostenentwicklung kritisch
Im Landkreis werden immer mehr Schulbegleiter benötigt, die verhaltensauffällige Kinder in der Regelschule unterstützen. Das macht die Jugendhilfe teurer.
Landsberg Inklusion bedeutet im schulischen Bereich, dass Kinder mit einer Behinderung an der Regelschule unterrichtet werden. Ihnen steht ein Schulbegleiter zur Seite. Bei Kindern mit seelischer Behinderung übernimmt dafür das Jugendamt die Kosten – und die steigen immer mehr: Sind es derzeit noch 25 Schulbegleiter, die das Jugendamt zahlt, sind 2019 bereits 46 dieser Integrationshelfer im Landkreis eingeplant. Die Ausgaben bei diesem Posten steigern sich von 550 000 Euro im Ansatz 2018 auf über 1,1 Millionen Euro für 2019, wie Jugendamtsleiter Peter Rasch im Jugendhilfeausschuss des Kreistags erläuterte.
Diagnosen von Behinderungen im sozial-emotionalen Bereich sind Asperger-syndrom, Autismus, Dyskalkulie, Legasthenie oder Aufmerksamkeits-defizit-hyperaktivitäts-störung (ADHS), wie der Jugendamtsleiter unserer Zeitung erläuterte. Rasch berichtete, dass das Jugendamt bei einem Antrag der Eltern in der Schule hospitiere, um ein Bild zu machen. Die Behörde hat aber kaum Handlungsspielraum: Mit einer Ablehnung sei man auch schon vor dem Verwaltungsgericht unterlegen und habe die Hilfe gewähren müssen, erzählt Rasch. Der Elternwunsch habe Vorrang, das Jugendamt dürfe nicht über die Beschulung entscheiden. „Als ich 2011 begonnen habe, waren es sieben Integrationshilfen, jetzt sind es 46, ich weiß nicht, wo das Ende der Fahnenstange ist.“
Die Kostensteigerungen bei den Schulbegleitern tragen stark zum höheren Defizit im Teilhaushalt Jugendhilfe bei: Die Diskrepanz zwischen Einnahmen und Aufwendungen steigt von 9,4 Millionen Euro im Ergebnis 2017 auf 14,2 Millionen im Ansatz 2019. 2018 sind 12,9 Millionen Euro angesetzt. „Bei der derzeitigen Umlagekraft ist dies im Haushalt darstellbar“, sagte Landrat Thomas Eichinger. „Aber was ist in zwei oder drei Jahren?“Für Eichin- ger ist problematisch, dass hier plötzlich das Jugendamt in der Schule sitzt, dem Bereich des Kultusministeriums. Der Schulbegleiter dürfe sich nicht um andere kümmern, da er nur für ein Kind zuständig sei.
Eichinger glaubt, dass dies auch Auswirkungen auf andere Schüler hat und es Störungen gibt. Inklusion sei etwas, „was wir alle haben wollen“, sagte Eichinger, er fragt sich aber, ob den Betroffenen wirklich geholfen sei, wenn sie immer anders blieben und nie 100 Prozent integriert seien. „Wir haben ein sonderpädagogisches Zentrum, das erfolgreich arbeitet.“Diese Infrastruktur sei vorhanden und koste auch. Jetzt gebe es zusätzlich sonderpädagogische Einstreuungen in normalen Schulen.
Eine Klasse des sonderpädagogischen Förderzentrums ist laut Peter Rasch in die Platanenschule ausgelagert. Wenn Eltern vorgeschlagen wurde, ihr Kind dort von der Regelklasse in die Förderklasse zu geben, sei die Bereitschaft größer gewesen. Der Einfluss auf das Klassengeschehen sei bei Kindern mit Verhaltenssich auffälligkeiten größer als bei Kindern mit einer körperlichen Behinderung, erläuterte Schulamtsdirektorin Monika Zintel.
„Depressiv“stimmt die zahlenmäßige Entwicklung Fuchstals Bürgermeister Erwin Karg. Margarita Däubler kritisierte, dass der Staat Vorgaben mache, aber nicht die Gelder bereitstelle. „Können wir nicht mit anderen Landkreisen sagen, dass es so nicht geht?“Landrat Eichinger glaubt, dass man vielleicht über die Ausformung der gesetzlichen Forderungen nachdenken könne, was er beim Landkreistag auch ansprechen will. Basis der Gesetzgebung ist die Un-konvention für Menschen mit Behinderung.
Der Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) und Leiter der Grundschule in Windach, Erich Bachmaier, schätzt die Entlastung, die Schulbegleiter im Alltag bringen. „Der Schulbegleiter kann den Schüler herausnehmen“, schildert er, wie beispielsweise auf die Unruhe eines Adhs-kindes eingegangen werden kann. „Es bringt Entlastung in Einzelsituationen.“Auch ein Schulsozialarbeiter könne dies leisten, müsse aber auch dauernd an der Schule sein, um eingreifen zu können. Im Landkreis wird es künftig auch mehr Schulsozialarbeiter geben (Bericht folgt).
Erich Bachmaier kennt aber auch Fälle, bei denen der Wille der Eltern sich gegen die Einschätzung von Lehrern und Schulpsychologen richtet und sich ein Kind trotz Schulbegleiter nicht ausreichend in der Regelschule integrieren kann – und auch nicht ausreichend gefördert werden kann. Dies sei für die anderen Kinder, den Lehrer und auch das betroffene Kind eine zusätzliche Belastung. „Ein sozial auffälliges Kind wird vor allem in der Grundschule von anderen Kindern auch häufig als schwierig empfunden.“Wenn dann keiner mit ihm spielen wolle, finde keine Integration statt. Oder die schulischen Leistungen könnten nicht mithalten. Am Förderzentrum sei dies anders.
Ist den Betroffenen wirklich geholfen?
Basis für das Gesetz ist eine Un-konvention