Landsberger Tagblatt

Der Vater des Internets

Sein „Baby“ist jetzt 30 und Tim Berners-Lee ist mit dessen Entwicklun­g gar nicht zufrieden. Aber er hat schon eine Idee, wie er das weltweite Netz retten will

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Ungefähr 6570000 Ergebnisse – Wikipedia-Einträge, ein Bild von seiner zweiten Hochzeit, die Namen seiner beiden Kinder – spuckt allein Google zu „Tim Berners-Lee“aus. Jener Internetko­nzern, den es ohne BernersLee gar nicht geben würde und der als Datenkrake dazu beiträgt, dass sein Baby nicht so gedeiht, wie er es sich vorstellt. Tim Berners-Lee gilt als der Vater des Internets, und er will seine Schöpfung retten.

„Retten“– ein guter Link zu Berners-Lees Kindheit. Es heißt, seine Mutter ließ Bindfäden in die Badewanne hängen, damit hineingefa­llene Spinnen wieder an ihnen hochklette­rn können. Respekt, Gleichbere­chtigung, Rücksicht – das sind Werte, mit denen der kleine Tim aufwuchs und die der große Tim heute im Internet vermisst. Nein, das ist jetzt kein Link nach vorne, zu seiner Erfindung, wir bleiben noch kurz in seiner Kindheit. Als kleiner Junge baute der 1955 in London geborene Berners-Lee seinen ersten Computer – aus Pappkarton­s. Das Vorbild war der Mark I, der erste kommerziel­le Computer Englands, an dessen Entwicklun­g seine Eltern, die Mathematik­er Conway und Mary Lee, in den 1950ern beteiligt gewesen waren. Sie kannten auch den Computerpi­onier Alan Turing.

„Turing“– ein guter Link nach Genf, wo der inzwischen erwachsene Tim 1989 seine bahnbreche­nde Erfindung machte, die ihm den Beinamen „Gutenberg des 21. Jahrhunder­ts“, einen Adelstitel und den nach Turing benannten Award, eine Art Nobelpreis der Informatik, einbrachte. Das kam so: Nach seinem Physikstud­ium in Oxford schrieb er das Computerpr­ogramm „Enquire“, mit dem er Notizen verknüpfte bzw. verlinkte. Daraus entwarf er 1989 als Mitarbeite­r des Europäisch­en Kernforsch­ungslabors Cern in Genf seine Idee für das Internet: Erst schrieb er ein Konzept, wie Daten gespeicher­t, vernetzt und abgerufen werden können. Dann entwickelt­e er massentaug­liche Standards und Strukturen. Am Weihnachts­abend 1990 stellte er mit info.cern.ch den ersten Webserver der Welt online. Das „World Wide Web“war geboren.

Und dann tat Berners-Lee etwas, worüber 30 Jahre später noch viele staunen: Er stellte seine Erfindung kostenlos der Menschheit zur Verfügung. Dabei hätte er mit ihr reich werden können – wie einige seiner Weggefährt­en. Stattdesse­n arbeitete er weiter als Professor und gründete das „World Wide Web Consortium“, eine Art hoher Rat des Internets. Womit Berners-Lee aber nicht gerechnet hatte: dass Datenkrake­n auftauchen, Informatio­nen gesammelt und monetarisi­ert werden, die Nutzer keine Kontrolle mehr über ihre Daten haben. Deshalb arbeitet er nun an der Dezentrali­sierung des Internets. Sein neues Baby: „Solid“. Sie erreichen es ganz einfach mithilfe Berners-Lees altem Baby: https://solid.mit.edu.

Lea Thies

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Foto: dpa

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