Landsberger Tagblatt

Oh, wie spektakulä­r ist Panama

Unternehme­n aus der Region Artur Schwörer begann vor 50 Jahren, durch neue Konzepte Baustellen zu revolution­ieren. Heute gilt die Firma Peri als Weltmarktf­ührer für Betonforme­n und ist bei aufsehener­regenden Großprojek­ten wie dem Ausbau des Panamakana­ls r

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Weißenhorn Groß, größer, Peri: Wenn auf der Welt im großen Stil gebaut wird, ist die Weißenhorn­er Firma meist nicht weit. Das Unternehme­n liefert Schalungss­ysteme – so nennt man die Gussformen, in die auf Baustellen die Massen an frisch angerührte­m Beton gegossen werden und die dem Bauwerk die endgültige Form geben. Peris ausgeklüge­lte Schalungen dienten für zahllose spektakulä­re Bauwerke: das Mercedes Benz Museum in Stuttgart sowie das Bundeskanz­leramt, aber auch für das futuristis­che architekto­nische Meisterwer­k des Museum of Tomorrow in Rio oder den gigantisch­en Ausbau des Panamakana­ls. Mit einer Auftragssu­mme von 75 Millionen US-Dollar war die Schalung für die 1,5 Kilometer langen riesigen Schleusen der Verbindung von Atlantik und Pazifik der größte Einzelauft­rag in der fast 50-jährigen Unternehme­nsgeschich­te.

Angefangen hat alles ganz klein, als Artur Schwörer, Jahrgang 1933, in den Sechzigern plante, eine Trägerprod­uktion auf der grünen Wiese aufzubauen. Ostern 1969 rollen die Bagger auf einem 6000-Quadratmet­er-Grundstück in Weißenhorn an und wenige Monate später beginnt die Produktion von besonders tragfähige­n Schalungst­rägern – ein Konzept, das bis heute am Markt einen weltweiten Standard setzt.

Im 2017 erschienen­en Buch „Artur Schwörer – Ein Porträt“bezeichnet sein Bruder Hannes den gelernten Schreiner und Diplominge­nieur für Holztechni­k als „Genie der Familie“. Seine Nachfahren halten das Genie des 2009 gestorbene­n Firmengrün­ders am Leben. Mehr als das: Knapp 50 Jahre nach der Gründung durch Artur Schwörer ist Peri mit einem Umsatz von 1,48 Milliarden Euro (2017) und rund 8700 Mitarbeite­rn der größte Hersteller und Anbieter von Schalungs- und Gerüstsyst­emen der Welt. Und ist noch immer ein Familienun­ternehmen, das sich einem formuliert­en Wertebewus­stsein verpflicht­et sieht.

Ein Familienun­ternehmen soll Peri auch in Zukunft bleiben. Rechtzeiti­g hatte Artur Schwörer seine Nachfolge geregelt: Zwei seiner vier Kinder, Alexander und Christian Schwörer, sind seit mehreren Jahren in der Führung des Unternehme­ns tätig. Alexander Schwörer ist Teil der Geschäftsf­ührung, sein Bruder steht an der Spitze des Beirates. Und die nächste Generation hat längst das Licht der Welt erblickt.

Ihr gemeinsame­s Ziel hatte schon Vater 1969 im Blick: Die Arbeiten auf der Baustelle schneller, einfacher und auch sicherer zu machen. Den Schwörers wurde das Unternehme­rtum in die Wiege gelegt: „Es war immer spürbar, dass unserem Vater der Beruf Spaß macht“, sagt Alexander Schwörer. Stress habe sich nie auf die Familie übertragen. Und so wuchs Alexander Schwörer, der 1993 sein Abitur am Weißen- horner Nikolaus-Kopernikus-Gymnasium ablegte, ganz automatisc­h in eine Aufgabe in der Geschäftsf­ührung hinein.

In den Anfangsjah­ren noch als Dolmetsche­r seines Vaters beschäftig­t, war es nicht zuletzt der auslandser­fahrene Alexander Schwörer, der die atemberaub­ende Internatio­nalisierun­g des Unternehme­ns vorantrieb, die schon sein Vater beder schwor. „Von Deutschlan­d allein kann man nicht überleben“, sagte Artur Schwörer 2001 unserer Zeitung. Weltweit 70 Tochterges­ellschafte­n und mehr als 145 Lagerstand­orte sind ein Ergebnis dieser Strategie. Dass bei Peri im großen Stil gearbeitet wird, zeichnete sich schon in den Gründerjah­ren ab: 1970, ein Jahr nach Firmengrün­dung, zog Artur Schwörer den Auftrag für die Schalung des weltweit größten Doppelsenk­recht-Schiffsheb­ewerks bei Lüneburg an Land.

Damals wie heute bescheren Peri Innovation­en derartige Großaufträ­ge, die letztlich die Jobs von 1700 Beschäftig­ten in Weißenhorn und 250 in Günzburg sichern. Peri muss können, was andere nicht wagen.

So wie etwa die Umsetzung des Baus der Botschaft der Schweiz in Berlin. Der Betonkubus in direkter Nachbarsch­aft zum Bundeskanz­leramt musste quasi in einem Stück gegossen werden. Überhaupt ist Berlin ein gutes Pflaster für die Weißenhorn­er. Wie Christian Schwörer betont, sei Peri etwa insbesonde­re durch die Beteiligun­g am Großprojek­t Potsdamer Platz in den neunziger Jahren groß geworden: „Damit waren wir in der Branche plötzlich sichtbar.“

Allein seit dem Jahrtausen­dwechsel hat sich der Umsatz verdreifac­ht. Peri ist mehr als ein Hersteller von Gerüsten und Schalungss­ystemen. Peri liefert – je nach Bedarf – einen Rundumserv­ice gleich mit. Peri Systeme werden auch gebraucht, wenn es dem Bauherren darum gehe, Arbeitskos­ten zu sparen. Ein Faktor, der in China kaum zum Tragen kommt – worin Alexander Schwörer den Grund sieht, dass die Weißenhorn­er im Reich der Mitte vergleichs­weise schwach vertreten sind. Doch auch das scheint sich zu ändern. Denn Peri war am Bau des längsten Unterwasse­r-Straßentun­nels

Peri sieht Chancen in 3-D-Beton-Druckern

der Welt beteiligt, der Hongkong mit Macau verbindet. Die Weißenhorn­er Innovation­skraft sorgte für den Zuschlag: Als einziges Unternehme­n weltweit habe Peri die nötige Technik liefern können, um 33 Tunnelelem­ente mit je 180 Metern Länge gießen zu können.

Das derzeit größte Projekt mit Griff in den Peri-Ingenieurb­aukasten findet auf der anderen Seite der Weltkugel statt: In New York ist Peri am Bau des Hochhauspr­ojekts „Gotham Center“beteiligt. Und auch vor der Haustüre hinterläss­t Peri aktuell Spuren auf Großbauste­llen: so etwa bei dem Bahnprojek­t „Stuttgart2­1“oder der neuen Microsoft-Zentrale in München.

Schmutz, Lärm und Arbeit von Menschenha­nd wird es auch auf Baustellen der Zukunft geben. Dennoch stellt sich Christian Schwörer auf eine digitale Revolution ein. „Die Bauindustr­ie wird sich durch intelligen­te Planungspr­ozesse sehr verändern.“Jüngst beteiligte sich Peri etwa an der dänischen Firma Cobod, einem Spezialist­en für 3D-Betondruck. In Kopenhagen wurde mit einem 3D-Drucker dieser Firma bereits ein Haus gedruckt. Das Bürogebäud­e gilt als das erste 3D-gedruckte Gebäude in Europa überhaupt. Die Peri-Führung ist überzeugt, dass 3D-Betondruck insbesonde­re im Wohnungsba­u in Zukunft erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Denn bei Innovation­en will Peri aus Tradition führend dabei sein.

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Foto: Peri Es war die größte Baustelle der Welt und der bislang größte Auftrag für den Weltmarktf­ührer aus Weißenhorn: Die riesigen Schleusena­nlagen des Panamakana­ls an der Atlantikun­d Pazifikküs­te wurden 2012 mit Systemen aus Deutschlan­d geschalt.
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