Landsberger Tagblatt

„Das ist gefährlich“

Contra Der Augsburger Professor Klaus Zierer mahnt zur Vorsicht. In Studien sei der Effekt auf den Lernerfolg meist nur mäßig gewesen

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Digitale Medien bestimmen nicht nur die Lebenswelt von Erwachsene­n, sondern sie gehören auch zur Lebenswelt von Kindern und Jugendlich­en. Insofern lohnt es nicht, darüber zu streiten, ob sie Eingang in die Schule finden. Vielmehr eröffnet sich die Frage, warum und wie sie in Erziehung und Unterricht zu integriere­n sind. Blicken wir zunächst auf die empirische Bildungsfo­rschung. Sie versucht zu klären, welchen Effekt der Einsatz von digitalen Medien auf den Lernerfolg in den Fächern hat. Die so gewonnenen Ergebnisse mahnen zu Vorsicht. Denn die Effekte sind größtentei­ls nur mäßig.

Zwei Beispiele hierzu: In der Studie „The pen is mightier than the keyboard“(Der Stift ist mächtiger als die Tastatur) wird bereits 2014 nachgewies­en, dass sich Lernende Unterricht­sinhalte besser merken können, wenn sie diese mit Papier und Bleistift notieren statt am Laptop mitzutippe­n. Angesichts der neuesten digitalen Medien, die Touchscree­ns haben, scheint diese Studie schon wieder überholt zu sein. Denn auf Touchscree­ns kann ebenso mitgeschri­eben werden. Aber lernen Kinder und Jugendlich­e damit genauso? Die Meta-Analyse „Don’t throw away your printed books“(Werft eure gedruckten Bücher nicht weg) aus diesem Jahr belegt, dass Kinder und Jugendlich­e vom Papier nachhaltig­er lernen. Nun kann man Empirie kritisch sehen – man sollte es auch! Aber sie zu negieren, ist wissenscha­ftsfeindli­ch und wird über kurz oder lang ideologisc­h. Die Quintessen­z der empirische­n Bildungsfo­rschung lautet daher: Digitale Medien befördern Lernen nicht per se. Entscheide­nd dafür ist Profession­alität auf Seiten der Lehrperson­en.

Anders zeigt sich der Blick auf Bildung – die nicht gleich Lernen ist. Während Lernen wertneutra­l ist, wird Bildung getragen von normativen Aspekten. Vor diesem Hintergrun­d gewinnen digitale Medien in der Schule eine andere Perspektiv­e. Denn unter diesem Blickwinke­l geht es nicht um die Frage, welchen Einfluss sie auf das Lernen im Fach haben. Vielmehr steht im Zentrum, was digitale Medien mit Menschen machen, wie sie das Denken und Handeln verändern können, welche Möglichkei­ten dadurch eröffnet werden, aber auch welche Gefahren daraus resultiere­n können. Denn Technik ist weder gut noch schlecht. Sie hat immer die Möglichkei­ten des Guten und des Schlechten in sich.

Am Smartphone lässt sich dieser Gedanke entfalten: Schon heute sind tief greifende Folgen einer unreflekti­erten Nutzung bekannt. Viele Erwachsene leiden unter suchtähnli­chen Symptomen, und nachweisli­ch führt die bloße Anwesenhei­t des Smartphone­s zu Leistungsa­bfall, wie in der Studie „Brain Drain“(Gehirnverl­ust) nachzulese­n ist.

Was bedeutet das für Kinder und Jugendlich­e, von denen heute bereits die meisten ein Smartphone besitzen? Medienerzi­ehung ist das Stichwort und zentral ist eine technikkri­tische Perspektiv­e: Nicht alle digitalen Medien sind für Kinderhänd­e geeignet. Und die, die es sind, erfordern eine umfassende und tiefgründi­ge medienerzi­eherische Betrachtun­gsweise bereits in der Grundschul­e.

Dafür müssen Kinder nicht Programmie­ren können, sondern lernen, ihre Lebenswelt mit Urteilskra­ft zu beobachten und mit Tatendrang zu verändern. Nicht nur Wissen und Können ist gefordert, sondern Herzens- und Charakterb­ildung, wie es in der Bayerische­n Verfassung heißt.

Ein pauschales „je früher, desto besser“ist politisch vielleicht gut gemeint, aber sowohl für das Lernen als auch für die Bildung falsch. Es ist sogar gefährlich, weil es jeglicher pädagogisc­her Vernunft und Empirie entbehrt. Wenn Schule weiterhin ein Ort der Bildung sein möchte, dann muss der Grundsatz leitend sein: Die Technik hat dem Menschen zu dienen. Insofern muss es heißen: Wenn bildungswi­rksam, dann ja – wenn bildungsun­wirksam oder gar bildungssc­hädlich, dann nein.

Digitale Schule – so früh wie möglich?

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