Landsberger Tagblatt

„Die Technik hilft“

Pro Digitalisi­erungs-Ministerin Dorothee Bär möchte, dass schon Grundschül­er am Computer arbeiten. Das fördere jedes einzelne Kind

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Non scholae, sed vitae discimus – nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir. Diese Maxime ist zeitlos. Aber was konkret bedeutet sie heute? Wir befinden uns mitten in der digitalen Revolution. Die Art, wie wir leben, wird sich noch viel rascher verändern, als wir es bisher kennen. Die Umwälzunge­n stehen in einer Reihe mit der Erfindung des Buchdrucks und der Industrial­isierung.

Es wäre daher töricht und ein Verrat an unseren Bildungsid­ealen, wenn wir die Augen vor dieser Revolution verschließ­en. Digitale Bildung muss in die Schulen. Die Frage lautet nur noch, wie die beste digitale Bildung für unsere Kinder aussehen soll. Ganz sicher ist damit nicht gemeint, dass wir ohne Sinn und Verstand die Schulen mit Smartboard­s und Tablets pflastern. Ziel muss sein, dass wir die Technik beherrsche­n und nicht von der Technik beherrscht werden. Dazu brauchen wir die Lehrerinne­n und Lehrer. Es darf aber auch kein Denkverbot sein, sich für den Übergang Expertise von außen heranzuzie­hen. Sonst dauert es zu lang, bis die digitale Bildung in den Schulen ankommt. Diese Zeit haben wir nicht.

Außerdem brauchen die Schulen einheitlic­he Leitlinien zur Orientieru­ng – von der Grundschul­e bis hin zum Abitur. Das betrifft nicht nur die Ausstattun­g, sondern auch deren sinnvollen Einsatz im Unterricht und digitale Lerninhalt­e. Daher müssen wir die Zusammenar­beit zwischen Bund und Ländern intensivie­ren. Es darf nicht vom Zufall abhängen, ob Schülerinn­en und Schüler in den Genuss digitaler Bildung kommen oder nicht. Das ist Willkür und das Gegenteil von Bildungsge­rechtigkei­t.

Ich trete entschiede­n denen entgegen, die bei digitaler Bildung – gerade in der Grundschul­e – mit einem Aufschrei reagieren: Das sei der Anfang vom Ende. Die Kinder sollten doch erst einmal lesen, schreiben und rechnen lernen. Erstens schließt das eine das andere nicht aus. Wir brauchen ein „sowohl als auch“von digitalen und analogen Fähigkeite­n und Lerninhalt­en.

Zweitens brauchen wir eine Klarheit in der Debatte, was mit digitaler Bildung gemeint ist. Es geht nicht darum, analoge Inhalte lediglich auf ein Tablet zu kopieren. Vielmehr müssen wir die speziellen Vorzüge digitaler Medien zur Verbesseru­ng des Unterricht­s nutzen. Denken wir an die Vorteile des Arbeitens in geteilten Dokumenten bei Gruppenarb­eiten. Die Technik hilft den Lehrern und spart Zeit, Aufgaben stärker zu individual­isieren und den Lernfortsc­hritt nachzuvoll­ziehen. So bleibt ihnen mehr Zeit für die pädagogisc­he Arbeit mit dem einzelnen Kind.

Auch für die Schüler ist es motivieren­der, dem individuel­len Tempo entspreche­nd gefördert zu werden. All das wird durch Lernsoftwa­re heute schon erleichter­t. Es können außerdem unterschie­dliche Wissensque­llen leichter miteinande­r verknüpft und der Unterricht so anschaulic­her gestaltet werden.

Es geht bei digitaler Bildung aber nicht nur um das „Wie“, sondern auch um das „Was“. Was ist ein Algorithmu­s? Wie funktionie­rt computatio­nal thinking? Wie schreibe ich einen Code? Was bedeutet Quellenkri­tik im Zeitalter von Social Media und Fake News? Das sind Inhalte, die wir im Angesicht der stark technikget­riebenen Veränderun­gen in die Schulen bringen müssen. In der Grundschul­e können wir auch Mädchen dafür noch viel stärker begeistern, bevor in den weiterführ­enden Schulen die Geschlecht­erklischee­s à la „Mädchen können kein Mathe“durchschla­gen.

Digitale Bildung bedeutet also keinesfall­s, dass die Schule zu einer seichten Unterhaltu­ngsstätte verkommt. Im Gegenteil: Das Wichtigste für Schülerinn­en und Schüler ist die Beharrlich­keit, sich im Angesicht der Digitalisi­erung neue Fähigkeite­n aneignen zu können und einen kritischen Geist zu entwickeln. Das sind die Qualitäten, die es Menschen erlauben, sich in einer ständig wandelnden Welt zurechtzuf­inden. Dann haben wir für das Leben gelernt.

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Foto: Ulrich Wagner Ran ans digitale Einmaleins-Diplom: eine Schülerin der Comenius-Grundschul­e in Buchloe.
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Dorothee Bär ist seit März Staatsmini­sterin für Digitalisi­erung in Berlin. Die CSU-Politikeri­n aus Unterfrank­en hat drei Kinder.

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