Landsberger Tagblatt

Derivate und kein Ende

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Zum Bericht „Derivate und Gerichtsko­sten“vom 6. November:

OB Neuner kritisiert, dass der BGH falsch entschiede­n habe. Das zeugt von einem ausgeprägt­en Selbstwert­gefühl. Tatsache ist, dass drei unabhängig­e Gerichte nach gründliche­r Prüfung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugun­g gelangten, dass die Forderung der Stadt unter keinem rechtliche­n Aspekt besteht. Es fällt schwer zu glauben, dass die Stadt bedauernsw­ertes Opfer von Gerichten ist.

Entgegen aller Behauptung­en ist sie auch nicht argloses Opfer einer gewinnsüch­tigen Bank. Natürlich hat die Bank die Stadt brutal über den Tisch gezogen. Aber im Grunde ist die Stadt Opfer ihrer eigenen Spielsucht, Besserwiss­erei und Uneinsicht­igkeit. Denn das Innenminis­terium hatte durch die sog. Derivat-Erlasse von 1995 und 2009 alle Städte ausdrückli­ch vor dem Abschluss spekulativ­er Zinsgeschä­fte gewarnt, die sie in ihren Auswirkung­en nicht wirklich durchschau­en. Dessen ungeachtet gab der damalige Stadtrat dem OB eine Blankoermä­chtigung zum Abschluss von Derivatges­chäften, ohne jedoch den weiteren Verlauf der Geldgeschä­fte im Blick zu behalten. Der damalige OB übertrug sodann seine Vollmacht an den Kämmerer, der die verhängnis­vollen Verträge abschloss. (...) In Verkennung der rechtliche­n Situation schlug die Stadt mehrmals Empfehlung­en des Gerichts, eine gütliche Einigung zu versuchen (Mediation, Güteverhan­dlung), in den Wind.

Stattdesse­n saßen die maßgeblich­en Vertreter der Stadt während des gesamten Prozessver­laufs auf zu hohem Ross. Gelegentli­ch vermittelt­en sie den Eindruck, als könnten sie vor lauter Kraft nicht laufen. Über eigene Versäumnis­se hat man sich jedenfalls keine Gedanken gemacht. Das war leichtfert­ig.

Wenn man die aktuellen Äußerungen des OB richtig deutet, dann ist die Prozesswut der Stadt ungebroche­n. Einig scheint man sich offensicht­lich nur darüber zu sein, dass der eingetrete­ne Schaden beglichen werden soll – irgendwie und von wem auch immer.

Und das geht rechtlich so: Nachdem die Klage gegen die Bank unanfechtb­ar abgewiesen ist, hält man sich an deren Tochterges­ellschaft. Da diese jedoch mittlerwei­le liquidiert ist, verklagt man deren Rechtsnach­folgerin. Nicht völlig hoffnungsl­os, aber rechtlich höchst anspruchsv­oll. Kühler Verstand ist gefragt. Vielleicht sollte sich jedes Stadtratsm­itglied einmal überlegen, ob es im privaten Bereich ein solches Prozessris­iko eingehen würde.

Peter Vonnahme, Kaufering

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