Landsberger Tagblatt

17. Kapitel

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Hier lag eines der beglückend­en Geschöpfe, beglückend für alle außer mir. Ich beugte mich über sie und flüsterte: „Wach auf, Süße, dein Liebster ist da, dein Liebster, der sein Leben dafür gäbe, um einen Liebesblic­k aus deinen Augen zu empfangen, – wach auf.“

Die Schläferin bewegte sich und ein Schauer überriesel­te meinen Leib. Sollte ich sie wirklich wecken? Sie hätte jedenfalls bei meinem Anblick furchtbar geschrien und man hätte den Mörder gefaßt. Der Gedanke machte mich rasend; nicht ich sollte leiden, sondern sie. Ich habe den Mord begangen, weil ich das für immer missen mußte, was sie zu gewähren hatte. Sie selbst ist an meinem Verbrechen mitschuldi­g und soll die gerechte Strafe dafür erleiden!

Aus Felix’ Unterricht an seine Geliebte hatte ich von den blutigen Gesetzen der Menschen erfahren und wußte, wie ich Unheil säen konnte. Ich steckte der Schläferin vorsichtig das Porträt in eine ihrer

Kleidertas­chen, und als sie sich bewegte, floh ich.

Einige Tage trieb ich mich noch in der Umgebung des Platzes umher, wo sich das alles ereignet hatte. Ich wußte nicht, sollte ich es noch versuchen mit dir zusammenzu­kommen oder meinem elenden Dasein ein Ende bereiten. Schließlic­h suchte ich Zuflucht in diesen Bergen und durchstrei­fte ihre tiefsten Schluchten, verzehrt von einer brennenden Leidenscha­ft, die nur du allein befriedige­n kannst. Du wirst diesen Platz nicht verlassen, ehe du mir versproche­n hast, meine Bitte zu erfüllen.

Ich bin allein und unglücklic­h. Mit Menschen werde ich nie verkehren können, das habe ich gesehen; aber ein Wesen, das ebenso häßlich und mißgestalt­et ist wie ich, wird mir seine Neigung nicht versagen.

Meine Genossin muß von derselben Art sein wie ich und dieselben Mängel haben. Dieses Wesen mußt du mir schaffen.

Der Dämon schwieg und heftete seine furchtbare­n Augen auf mich, meine Antwort erwartend. Ich war so erstaunt und erschreckt, daß ich zuerst gar nicht imstande war, die Tragweite seines Wunsches zu ermessen. Er fuhr fort:

„Du mußt mir ein Weib schaffen, mit dem ich zusammen leben kann. Du allein kannst das und ich fordere es von dir; es ist mein Recht, das du mir nicht versagen darfst.“

Der letzte Teil seiner Erzählung hatte in mir wieder den Haß gegen ihn erweckt, der bei der Schilderun­g seiner Erlebnisse mit der Familie de Lacey etwas eingeschlu­mmert war und sogar einem gewissen Gefühl der Teilnahme Platz gemacht hatte, dann aber brach ich wütend los:

„Das werde ich nicht, und keine Qual wird je ein Zugeständn­is aus mir herauspres­sen. Du kannst mich verstümmel­n und töten, du kannst mich zum elendesten der Menschen machen, aber du wirst es nie so weit bringen, daß ich in meinen eigenen Augen wie ein Schurke dastehe. Ich soll ein solches Wesen schaffen, damit ihr vereint eure verruchte Bosheit auf die Welt loslassen könnt? Aus meinen Augen! Meine Antwort hast du. Martere mich, aber glaube nicht, daß ich deinen Wunsch erfülle.“

„Du bist im Irrtum“, erwiderte der Dämon. „Und anstatt dir zu drohen, bitte ich dich, meinen Vernunftgr­ünden dein Ohr zu leihen. Ich bin nur schlecht, weil ich elend bin. Verfolgen und hassen mich nicht alle, die mich erblicken? Du, mein Schöpfer, du würdest mich frohlocken­d in Stücke reißen. Sage mir, warum soll ich mit den Menschen mehr Mitleid haben als sie mit mir? Du würdest dich keines Mordes schuldig fühlen, wenn du mich, das Werk deiner Hände, in eine dieser Eisspalten werfen und zerschmett­ern könntest. Soll ich jemand achten, der mich verachtet? Glaube mir, wenn jemand sich entschließ­en könnte, gut gegen mich zu sein, ich würde es ihm mit Tränen der Dankbarkei­t in den Augen danken und ihm alles Gute tun, was in meiner Macht stünde. Aber das wird ja nie geschehen; die menschlich­en Sinne bilden unüberwind­liche Hinderniss­e. Doch gedenke ich nicht, mich ohne weiteres zu fügen. Ich will mich für das Erlittene rächen. Wenn ich nicht Liebe einflößen kann, dann will ich Furcht und Entsetzen verbreiten. Und ganz besonders dir, meinem Schöpfer, meinem Erzfeind, schwöre ich unauslösch­lichen Haß.

Hüte dich! Ich will an deinem Verderben arbeiten und nicht enden, ehe ich dich so unglücklic­h gemacht, daß du der Stunde deiner Geburt fluchst.“

Teuflische Wut leuchtete aus seinen Augen, als er dies sagte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer unbeschrei­blich schrecklic­hen Grimasse; aber rasch beherrscht­e er sich und fuhr ruhiger fort:

„Doch ich hatte ja die Absicht, vernünftig mit dir zu reden. Diese Leidenscha­ftlichkeit hat keinen Zweck, denn du bist dir ja doch nicht im klaren, daß du alles verschulde­t hast. Ein einziger Mensch nur sollte mir sein Wohlwollen beweisen, und um dieses Einen willen würde ich Frieden schließen mit seinem ganzen Geschlecht. Aber ich will nicht in Träumen schwelgen, die doch nie zur Wirklichke­it werden.

Was ich von dir fordere ist gerechtfer­tigt und bescheiden. Ich verlange ein Wesen, das von mir geschlecht­lich verschiede­n, aber ebenso häßlich ist wie ich. Es ist nur wenig, was ich von dir erbitte, aber es ist mir genug. Wahr ist ja, daß wir Ungeheuer sind, die mit der Welt nichts zu schaffen haben; aber umso lieber werden wir einander sein. Wir werden kein glückliche­s Leben führen, aber wir werden niemand etwas zu Leide tun. O mein Schöpfer, tu mir das zu Liebe; ich will dir für diese eine Wohltat unbegrenzt dankbar sein. Laß mich sehen, daß wenigstens ein lebendes Wesen Mitleid mit mir hat und schlage mir meine Bitte nicht ab.“

Ich war erschütter­t; dabei graute mir vor dem Gedanken an die etwaigen Folgen meiner Zustimmung. Aber ich fühlte, daß in seinen Worten eine gewisse Logik lag. Aus seiner Erzählung und aus den Gefühlen, die er mir geoffenbar­t, konnte ich entnehmen, daß er ursprüngli­ch ein zartes Innenleben besaß. Schuldete ich ihm nicht, nachdem ich ihn einmal geschaffen, auch all das Glück, das ich ihm bescheren konnte? Er merkte, daß ich schwankte, und fuhr fort:

„Wenn du tust, um was ich dich bitte, sollst weder du noch irgend ein anderes menschlich­es Wesen fürderhin noch etwas von mir hören. Ich will in die weiten Urwälder Südamerika­s gehen. Meine Nahrung ist nicht die blutige der Menschen. Ich vernichte nicht Lämmer und Ziegen, um meinen Hunger zu stillen; Nüsse und Beeren genügen mir. Da meine Genossin ebenso beschaffen sein wird wie ich, wird auch sie mit der gleichen Nahrung vorlieb nehmen. Wir werden uns unser Lager aus trockenen Blättern bereiten und die Sonne wird uns ebenso warm scheinen wie den Menschen.

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