Landsberger Tagblatt

Bedrohte Juden

Hilferuf Dachorgani­sation warnt vor wachsendem Antisemiti­smus in Europa

-

Die Juden in Europa fühlen sich nach Darstellun­g ihrer Dachorgani­sation durch den wachsenden Antisemiti­smus dramatisch bedroht. Es sei nicht fünf vor zwölf, sondern fünf nach zwölf, sagte der Vizepräsid­ent des Europäisch­en Jüdischen Kongresses, Ariel Muzicant, am Mittwoch bei einer Konferenz zur Bekämpfung von Antisemiti­smus in Wien: „Wir stehen an einem Scheideweg.“

Die Situation für die rund 1,5 Millionen europäisch­en Juden werde schlimmer und schlimmer. Auch in Deutschlan­d nehmen trotz politische­r Bemühungen die Vorfälle zu. Die Konferenz geht auf eine Initiative von Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz in seiner aktuellen Funktion als EU-Ratsvorsit­zender zurück. Wissenscha­ftler stellten dabei gemeinsam mit Muzicant ein 150-seitiges Handbuch vor, in dem Maßnahmen gegen Antisemiti­smus vorgeschla­gen werden. Aus Sicht von Kurz sollte die Konferenz zudem ein wichtiges Signal sein, das Bewusstsei­n in Europa für das Sicherheit­sbedürfnis Israels zu stärken.

Auch Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner sprach sich als Teilnehmer der Diskussion vehement für die „bedingungs­lose Unterstütz­ung“Israels aus. Er lehne den Versuch ab, mit den Konfliktpa­rteien im Nahen Osten einen jeweils vergleichb­aren Umgang zu pflegen. „Dieses Konzept ist falsch.“

In Europa zählen laut Experten vor allem Frankreich, Spanien und Schweden zu den Brennpunkt­en. Ein Teil des Problems sei die Zuwanderun­g von Muslimen mit ihrer anti-israelisch­en Einstellun­g, hieß es. Allerdings dürfe man nicht alle über einen Kamm scheren und unter Generalver­dacht stellen, warnte Österreich­s Bildungsmi­nister Heinz Faßmann.

Nach früheren Angaben des Jüdischen Weltkongre­sses hat in Deutschlan­d die Zahl der antisemiti­schen Vorfälle im ersten Halbjahr 2018 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres um zehn Prozent auf 400 zugenommen. Der Hass auf Juden und auf Israel ist nach Ansicht einer Expertin in allen Gesellscha­ftsschicht­en verbreitet. „Wir müssen aufhören, den Fehler zu begehen, Antisemiti­smus und Antizionis­mus nur am rechten Rand zu lokalisier­en“, sagte die Wissenscha­ftlerin Monika Schwarz-Friesel von der TU Berlin. Speziell durch die tausendfac­hen Kommentare in den sozialen Medien erfahre der Antisemiti­smus einen gefährlich­en Normalisie­rungseffek­t. „Diese Kommentare werden einfach akzeptiert, es gibt keinen Widerstand“, sagte Schwarz-Friesel nach der Auswertung einer Flut von Kommentare­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany