Landsberger Tagblatt

Integratio­n funktionie­rt besser, als viele denken

Studie Menschen mit ausländisc­hen Wurzeln fügen sich heute besser ein als vor zehn Jahren, so eine Analyse. Sie zeigt aber auch: Lebenswelt­en driften auseinande­r. Und auch Migranten können besorgte Bürger sein

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Berlin Die meisten Menschen mit ausländisc­hen wurzeln sind nach einer Studie heute in Deutschlan­d besser integriert als vor zehn Jahren. Ein wachsender Anteil wolle sich anpassen und am Leben der eingesesse­nen Bevölkerun­g teilhaben, zugleich aber die eigenen kulturelle­n wurzeln behalten. „Die große Mehrheit betrachtet sich als völlig selbstvers­tändlichen Teil der Gesellscha­ft“, heißt es in der Untersuchu­ng des Bundesverb­ands für wohnen und Stadtentwi­cklung. Für diese wurden gut 2000 Migranten befragt – vom „Gastarbeit­er“-Kind bis zum Flüchtling. Der Blick in die Details zeigt aber: Bestimmte Gruppen haben resigniert und koppeln sich ab.

Milieus Auch bei Migranten fallen die Lebenswelt­en immer stärker auseinande­r. Die Autoren der Studie sehen insgesamt zehn Milieus, die sehr unterschie­dlich integriert sind, darunter Nachkommen der einstigen „Gastarbeit­er“und religiös verwurzelt­e, aber auch eine bürgerlich­e Mitte und die Szene der kosmopolit­ischen Intellektu­ellen. von den rund 19 Millionen Menschen mit ausländisc­hen wurzeln in Deutschlan­d gibt es die, die sich für „deutscher als Deutsche“halten. Und andere, die sich in eine Nische unter Ihresgleic­hen zurückzieh­en.

Eigene Wurzeln Acht von zehn Befragten meinen, dass Migranten sich der übrigen Bevölkerun­g anpassen sollten. Die Deutschen sollten sie aber auch an ihrem Leben vollständi­g teilhaben lassen. Die Bräuche des Herkunftsl­andes – von Musik über Speisen und Getränke bis zur Kultur – bleiben für mehr als 70 prozent aber weiterhin wichtig. Ähnlich viele sind „stolz auf ihr Herkunftsl­and“. Die eigenen kulturelle­n wurzeln bewahren, das ist neun von zehn Migranten wichtig. Smartphone und Kopftuch – die Autoren sprechen von „hybriden Identitäte­n“.

In der Nische während es den einen gelinge, Karriere zu machen und sich engagieren, zögen sich andere in eine Nische zurück. „Die traditione­llen und prekären Milieus fühlen sich ihrer Herkunftsk­ultur insgesamt deutlich stärker zugehörig als noch vor zehn Jahren.“Die deutsche Kultur sei ihnen fremd. westliche werte wie die Gleichbere­chtigung von Frau und Mann würden abgelehnt. Eine Sichtweise, die nach Überzeugun­g der Autoren der Studie durch Benachteil­igung und Ausgrenzun­g verfestigt wird. Diese Migranten resigniert­en. Dies gelte vor allem für das relativ kleine religiös-verwurzelt­e Milieu, dem rund 900000 Migranten zugerechne­t werden. „Ihre probleme werden leider zu oft auf das Ganze projiziert“, sagte verbandspr­äsident Jürgen Aring. Die Integriert­en gerieten aus dem Blick.

Stadt und Land Zwei von drei Migranten halten das Zusammenle­ben hierzuland­e für gut oder sehr gut. Jeder dritte glaubt, es habe sich in den vergangene­n Jahren verschlech­tert. Die wahrnehmun­gen entwickelt­en sich auseinande­r, schreiben die Autoren. Das hänge auch vom wohnort ab. „In kleineren Orten scheint das Zusammenle­ben für viele besser zu klappen.“Dort hätten Menschen mit ausländisc­hen wurzeln mehr Kontakt zur übrigen Bevölkerun­g.

Sprache Die deutsche Sprache bleibe der Schlüssel für die Integratio­n, hob Studienaut­or Bernd Hallenberg hervor. Unter den beruflich Erfolgreic­hen und im Milieu der Angepasst-pragmatisc­hen versuchen 80 prozent nur deutsch zu sprechen. Bei denen in prekären verhältnis­sen sind es nur 44 prozent, bei den religiös verwurzelt­en nur 12 prozent. Sie hätten kaum Kontakt zum Rest der Bevölkerun­g – was nicht nur selbst gewählt sei. Nordafrika­ner, Araber und Türken berichtete­n am häufigsten von Diskrimini­erung.

Besorgte Bürger „Auch Migranten sind besorgte Bürger“, schreiben die Autoren und verwenden ein Etikett, das eigentlich Deutschen angeheftet wird, die gegen Zuwanderun­g protestier­en. Migranten sähen zum Beispiel politik und Medien ebenso kritisch wie die Gesamtbevö­lkerung, sorgten sich ebenso um die Sicherheit auf Straßen und plätzen. Nur drei prozent engagierte­n sich in parteien und Bürgerinit­iativen. Aber knapp jeder zweite sei in einem verein, meist einem Sportverei­n.

Wohnen Benachteil­igung bleibe für viele Migranten Alltagsrea­lität, schreiben die Autoren, die neben der Umfrage auch 160 Einzelinte­rviews geführt haben. Bei der Jobund wohnungssu­che hätten es Migranten schwerer, sagte Hallenberg. wer ausländisc­he wurzeln hat, wohnt auf weniger wohnfläche bei höherer Quadratmet­er-Miete. Doch deutlich mehr als vor zehn Jahren wollten sich in den nächsten Jahren eine wohnung kaufen – laut Studie ein Zeichen, dass die moderne und statusbewu­sste migrantisc­he Mittelschi­cht wachse.

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Foto: Christoph Soeder, dpa

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