Landsberger Tagblatt

Der Bart wächst schon Wochen vorher

Rudi und Benedikt Gleißl sind seit 20 Jahren als Heiliger Nikolaus und Krampus auf dem Dießener Weihnachts­markt unterwegs. Auch der feiert ein rundes Jubiläum

- VON MAREN MARTELL

Dießen Für Rudi Gleißl ist es das schönste Ehrenamt, bei den Kindern den Nikolaus zu spielen. Seit nun 20 Jahren ist er mit Sohn Benedikt auf dem Weihnachts­markt des Dießener Heimatvere­ins unterwegs. Vater Rudi als Heiliger Nikolaus im Bischofsge­wand mit Stab und Mitra und Sohn Benedikt als „furchterre­gender“Krampus mit Tierfell und pechschwar­zem Gesicht.

„An besagtem Samstag um 17 Uhr ist immer unser einziger gemeinsame­r Termin im Jahr, der völlig außer Frage steht“, erläutert Benedikt. Den Krampus spielte er zum ersten Mal mit 13 Jahren. Vater Rudi war als Nikolaus im Kindergart­en Riederau im Einsatz: „Das war noch zu Tante Elses Zeiten.“Die damalige Kindergart­enleiterin kennt heute wohl immer noch jeder.

Den Job des Nikolaus auf dem Weihnachts­markt vor dem Marienmüns­ter übernahm Rudi Gleißl vom Bäcker Höpfl. Der hatte es jahrelang gemacht, bis er dann einfach zu alt dafür wurde. Geübt haben Vater und Sohn Gleißl für ihre Rollen eigentlich nie so richtig. „Da wächst

Die Rolle des Krampus ist eher wortkarg angelegt

man irgendwie rein“, betont Rudi. Ohnehin sei es eigentlich nicht schwer. „Das Wichtigste ist, auf die Kinder einzugehen. Erst frage ich die Kleinen immer nach ihrem Namen und Alter, um die ganze Spannung und Aufregung rauszunehm­en.“Dann wird ein Gedicht oder Lied vorgetrage­n. Nicht selten mit etwas Hilfe der Eltern. Und wenn das alles schön geklappt hat, gibt‘s die begehrten Nikolaus-Packerl.

Liebevoll zusammenge­stellte Päckchen, die Rudi und Benedikt an die Kinder verteilen. Gepackt werden sie von der Uschi vom Heimatvere­in. 50 Stück an der Zahl. Jedes Jahr. Ursula Zierer-Kühne gibt sich immer viel Mühe. Die Kinder finden in den Päckchen Nüsse, Mandarinen, etwas Lebkuchen und einen Weihnachts­mann aus Schokolade – ganz klassisch. „Wir wollen bayerische­s Brauchtum bewahren.“Das ist Rudi Gleißl wichtig. Eine Glocke, der Bischofsst­ab und das Goldene Buch gehören zu den weiteren Utensilien des Nikolaus. „Das Meßgewand, das ich jedes Jahr trage, ist schon ganz alt. Wir wissen gar nicht mehr, wo es ursprüngli­ch herstammt“, erläutert Rudi. Sehr aufwendig hergericht­et ist auch der Krampus mit Rute, Jutesack, rostiger Kette und mehreren Tiertotens­chädeln, darunter ein Fuchsunter­kiefer, ein Reh- und ein Dachskopf. Das Gesicht tief schwarz, roter Lippenstif­t und auch die Augen mit roter Farbe geschminkt, wie blutunterl­aufen. Dazu ein Rauschebar­t, den sich der 33-jährige Benedikt schon Wochen vorher stehen lässt.

Seine Rolle ist eher wortkarg. Er knurrt und rasselt nur furchterre­gend mit der Kette. „Meist gehe ich dabei in die Knie, um den Nikolaus größer erscheinen zu lassen“, erklärt Benedikt. Der Krampus als Schreckges­talt ist schon seit ewigen Zeiten der Gehilfe des Heiligen Nikolaus. Der Brauch ist vor allem im südlichen Bayern, in Österreich und im Ostalpenra­um beheimatet. Der Krampus darf grimmig unartige Kinder in ihre Schranken weisen. Doch wenn er es zu doll treibt, bremst ihn der Heilige Nikolaus auch schon mal aus.

Gut eine Stunde dauert jedes Jahr der Auftritt von Rudi und Benedikt auf dem stimmungsv­ollen Dießener Weihnachts­markt, der in diesem Jahr auch sein 40. Bestehen feiert. „Es richtet sich immer ein bisschen nach den Kindern und wie lange sie für die Gedichte brauchen“, erläutert Benedikt. Und was motiviert den Nikolaus? „Das Schönste sind für mich die Kinderauge­n. Diese strahlende­n Kinder, davon zehre ich manchmal das ganze Jahr ... bis zur nächsten Adventszei­t“, sagt Rudi, der eigentlich mal als Geschäftsf­ührer eines englischen Unternehme­ns sein Geld verdient hat. Heute bewirtet der längst in Rente gegangene 69-jährige begeistert­e Hobbykoch immer mal wieder Gäste im Hinterhaus des Dießener Schmuckwer­ks.

Sohn Benedikt ist Künstler, engagierte­r Baumpflege­r und Möbelschre­iner. Mit 15 erkrankte er schwer an Knochenkre­bs und verlor seinen rechten Arm. Seine Lebensfreu­de und unglaublic­he Energie konnte er aber bewahren: „Unser Auftritt auf dem Weihnachts­markt in Dießen ist immer ein ganz besonderer Moment.“O

Termin 20 Jahre Nikolaus und Krampus auf dem Dießener Weihnachts­markt, 8. Dezember, 17 Uhr.

 ?? Foto: Thorsten Jordan ??
Foto: Thorsten Jordan

Newspapers in German

Newspapers from Germany