Landsberger Tagblatt

Der gezähmte Kinderschr­eck

Knecht Ruprecht führt inzwischen eine kümmerlich­e Existenz. Denn die Kuschelpäd­agogik hat den rauen Gesellen mit der Rute aus den Häusern verbannt

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Von „drauß’ vom Walde“kommt er her, der raue Geselle im groben Gewand. Einen mächtigen, verfilzten Rauschebar­t muss er haben, einen riesigen Sack tragen und mit der Rute fuchteln. Knecht Ruprecht genießt wahrlich kein gutes Image. An der Seite des gütigen Nikolaus musste er immer den Kinderschr­eck geben. Trat Ruprecht ins Zimmer, drängten sich die Kinder ängstlich an die Mama. Wehe, wenn der heilige Nikolaus in seinem goldenen Buch Missetaten vorfand! Dann hatte Knecht Ruprecht als Vollstreck­er seines Amtes zu walten und strafend die Rute zu schwingen, wenn nicht gar den Übeltäter in den Sack zu stecken, um ihn hinaus in die Finsternis mitzunehme­n.

Die Kuschelpäd­agogik hat dem schrecklic­hen Zuchtmeist­er in den Siebzigern den Garaus gemacht. Ruprecht geriet in den Verdacht, die Kinder zu traumatisi­eren, und wurde deshalb aus den Häusern verbannt. Die empfindsam­en Kleinen sollte der finstere Bursche nicht mehr fürs Leben verschreck­en. Allenfalls beim Klausentre­iben darf der Ruprecht, dessen Namen Volkskundl­er als „raue Percht“lesen, noch öffentlich auftreten und sich als Waldschrat recht ungehobelt gebärden.

Dann darf er sogar mit Schellen lärmen und mit einer Kette rasseln. Aber bitte abgeschirm­t von den Zaungästen, die mit wohligem Gruseln aus sicherer Entfernung der ungezogene­n Schar zuschauen.

Seit 300 Jahren ist die Arbeitstei­lung von dem guten Nikolaus, der die Kinder lobt und belohnt, und dem grimmigen Ruprecht bezeugt. Und wahrschein­lich ist sie noch ein gutes Stück älter. Aber was für einen Partner hat sich der heilige Bischof da angelacht! In alten Darstellun­gen trägt Knecht Ruprecht manchmal Hörner wie der Teufel selber. Der ist bekanntlic­h auf die Seelen aus, die er verführt und vom rechten Pfad abbringt. Der Barockdich­ter Johannes Praetorius reimte 1663 über Knecht Ruprecht: „Ich bin der alte böse Mann, der alle Kinder fressen kann.“Wer in dessen Fänge gerät, dem gnade Gott!

Der Erzähler Theodor Storm schildert Knecht Ruprecht 250 Jahre später schon wesentlich freundlich­er. In seinem Sack schleift er nicht mehr die bösen Kinder fort, sondern beschert ihnen bei seinem Hausbesuch Äpfel, Nuss und Mandelkern. Die Rute schwingt dieser Knecht Ruprecht immer noch, „doch für die Kinder nur, die schlechten“.

Ruprecht hatte damals bereits Konkurrenz vom Weihnachts­mann bekommen. Dieser Kapuzenman­n war nun gar nicht mehr böse, sondern fuhr mit putzigen Rentieren vom Himmel zur Erde, um den artigen Kindern reichlich Geschenke zu bringen. Knecht Ruprecht blieb gar nichts anderes übrig, als sich in seinem Verhalten anzupassen, den willigen Büttel des Nikolaus zu machen und zum gewaltfrei­en Kinderfreu­nd zu mutieren. Wenn’s ihm dabei zu langweilig wird, kann er ja seinen ungezähmte­n Vetter, den Krampus, auf ein Schwätzche­n einladen. Der darf noch immer sein Gesicht mit Ruß schwärzen und als Raufbold die Leute tratzen. Alois Knoller

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